MUSIK / LYRIK / TEXTE
116 DER SÜSSE BREI
Es ist wieder soweit:
Die Deutschen stecken fest,
dort, wo sie selbst dreißig Jahre lang hineingekrochen sind,
zum Preis einer Ballonfinanzierung.
Nun ist diese geplatzt.
Die Aorta wurde vom Freund Wunderheiler durchtrennt.
Schnell sind abenteuerliche Bypässe gelegt
und man genießt wieder Wahlkampf und Karneval.
Auch Schlaraffias Müllberge quellen prächtig weiter:
In den Wohnungen, in den Köpfen,
in Europa und in anderen Töpfen.
Carmen Hoyer, 14.02.2023 zum Valentinstag
115 IN PREROW AUF DEM DARSS
Letzte Biege vor dem Ort. Dann links und rechts Gemütlichkeit. Einladende Wohn- und Ferienhäuser, Reet- oder Ziegel gedeckte Walmdächer, Grünpflanzeneinfassungen an der langen Hauptstraße, von einem zum anderen Ende des Ostseebades.
Ein mehrfach überbrückter Strom direkt vor dem Meer, seegrasiger Küstenschutz, mischwaldige Wanderwege, verführende Lädchen. Von der über hundertjährigen Buchhandlung, die beim Betreten unweigerlich zum Stöbern verführt, über eine akribisch sortierte Kaufhalle für den täglichen und außergewöhnlichen Bedarf bis zum Strand nahen Restaurant "Seeblick" und zur nachmittäglich einladenden "Teeschale", unmittelbar neben dem kleinen urigen Darssmuseum. Und am Abend dann ins Dorf eigene Kino, ins "Cinema Prerow". Einzig an einem winterlichen Donnerstag im Februar läuft in der Abendvorstellung "Maria träumt". Ein französischer Film vom kleinen und großen Glück, vom Neubeginn.
Auf dem Weg in die Filmvorführung durch die kalte abendliche Dunkelheit ein unerwartetes Naturspektakel. Am sternenklaren Himmel zu sehen ein fast runder Mond mit einem riesigen Heiligenschein. Ein Mondhalo. Ein ungekanntes Naturphänomen in voller Schönheit sichtbar. Überwältigend, faszinierend, unvergesslich. Wie die fantastisch leckeren Fischgerichte. Mit feinstem Gemüse, aromatischen Kräutern, raffinierten Saucen, exotischen Beilagen zu Hecht und Heilbarsch, Rotbutt und Zander. Oder bring' ich g'rad was durcheinander?
Carmen Hoyer, 06.02.2023
114 AUFRECHTE OSTSEELIEBE
Da steht er wirklich ganz famos,
jetzt ist er groß zu seh'n,
zunächst versteckt aus Waldessicht,
vom Meer aus rund und schön.
Drapiert im Zwirbelkieferngrün
ragt kess er stramm hervor
und lockt im Backsteinziegelrot
ein Schmunzeln hinter 's Ohr.
Die Tage sind gezählt für ihn,
noch trotzt er jedem Sturm,
den 's Liebesleben ihm beschert
als wack'rer Darß-Leuchtturm.
Stets weicht die See vor ihm zurück,
doch wächst ihr Appetit,
zu verschlingen ihn in sechzig Jahr'n
samt seinem inniG Lied.
Oft hört man 's kaum,
doch laut vibriert 's,
wenn Notfall sich anbahnt:
Dann blinkt er hell im Dunkeln,
hört man 's in Prerow munkeln.
Carmen Hoyer, 05.02.2023
113 BALTISCHE MEERESSINFONIE
Oben leuchtend Himmelblau,
kein einzig' Wölkchen blinkt,
erahn' den Halbmond in der Fern',
als ob er heimlich winkt.
Beleuchtung strahlt, das Flutlicht gleißt
dank Klärchens Energie
auf wallend rauschenden Akteur
zur Meeressinfonie.
Heut' spielt die See der Baltik auf
zum großen Zapfenstreich,
mit Orgel- und Orchestersound
zu Ehren Neptuns Reich.
Ob Holzgebläse kreuz und quer
nebst Geigen, Celli, Baß,
gar Bratschen setzen fleißig ein,
spiel'n ohne Unterlaß.
Dramatisch wird es immer dann,
wenn 's tiefe Blech erwacht,
rumorend in die Wellen schnaubt,
bis stürzend alles kracht.
Und weiter dudeln Gischt und Schaum
mit gurgelnden Trompeten,
schon schnauft die nächste Woge an,
um Beifall wird gebeten.
Den spenden fröhlich aus der Luft
und schaukelnd auf dem Wasser
die Möwen und die Entenschar
mit Kreischen und Geschnatter.
Begeistert hör' auch ich 's Konzert,
betört sind meine Sinne,
ich klatsche froh in meine Händ'
und juchz' mit meiner Stimme:
"Wie herrlich ist dies' Openair
mit Platzwahl frei im Sand
und stürmischem Getös' am Meer
an Februars Ostseestrand!"
Carmen Hoyer, 03.02.2023
112 INTUITION
Lügen haben kurze Beine oder lange Nasen.
Nichts davon ist wahr, mein Kind,
erkenn' den falschen Hasen!
So hat man sich schon lang' gefragt,
wie man Gesundheit heilt,
und wie umnachtet man Verstand, wen Geistesblitz ereilt.
Willst fröhlich rennen du hinaus,
lass' dich ins Auto schnallen,
bekämpf' den Hunger rigoros
aus Apothekers Hallen.
Gesundheitspill'n für dies und das,
egal mit welcher Wirkung,
doch lehn' die Impfung ab, die schützt,
als Teufelswerk der Innung.
Lass dich umwerben Tag und Nacht
zu Konsum oder Paarung,
beweg dich nicht:
Du wirst bewegt
wie ein geölter Harung.
Im Hamsterrad um 's Geld des Glaubens
verbring dein Leben sorglos.
Lass and're strampeln und genieß'
Schlaraffia des Raubens.
Mit Bunkern bis zum Himmel hoch
protzt die Finanzelite.
Die ander'n, die in Löchern woh'n,
bezah'ln dafür Rendite.
Am End' versöhn'n sich Fuchs und Has' aus alter Fabel Brauch
und du, mein Kind,
bekommst 'nen Kuss auf deinen süßen Bauch.
Carmen Hoyer, 22.01.2023
111 BUMERANG
Da reden sie und schwätzen
und haben keinen Dunst,
geschweige denn von Bildung,
von Weisheit oder Kunst.
Sie fordern härt're Strafen
für Straßenkrieger ein,
doch Böllerproduzenten
hofieren sie beim Wein.
Sie schrei'n nach neu'n Methoden,
die Jugend zu belehr'n
und war'n doch selbst die Stümper,
die Kinder falsch bekehr'n.
Statt Wissen schrei'n sie Meinung,
statt Können Amüsement,
zu üben braucht man nichts mehr,
Hauptsach', das Web ist an.
In riesig großen Klassen
projektbezog'nes Treiben,
mal schätzungsweise Rechnen,
mal ohne Regeln Schreiben.
Viel wicht'ger ist jetzt Englisch
zum Zocken in der Welt,
wozu noch deutsche Sprache:
"TO GO", ist, was gefällt.
Der Wald, das Land, die Heimat,
wer braucht das alles noch:
Mobilität sei alles,
pfeift' s bis zum letzten Loch.
Genauso tun' s die Kinder,
Genau, wie ihr es lehrt:
Die Einen für den Henker,
die Ander'n hochgeehrt.
Zur Krönung gibt' s 'ne Predigt
für Friedenssicherung
mit digital'n Krediten
zur Land'sverteidigung.
Da ist' s vielleicht ganz günstig,
wenn Jugend nichts gelernt:
Mit Bullshit läßt' s sich kämpfen
für alle fern am Herd.
Carmen Hoyer, 11.01.2023
110 BUNTE TINTE
Die neuen Füller funkeln
und schreiben ganz famos,
sortier' sie gleich nach Farben
und mal' einfach d'rauf los.
Auch muss ich gleich notieren,
was stattgefunden hat,
egal, ob manch's erfunden,
ob selbst erlebet hab'.
Nun ist der Wein getrunken,
mir fall'n die Äuglein zu,
's wird Zeit, ins Bett zu gehen
zur wohlverdienten Ruh'.
Vielleicht träum' ich 'was Buntes
im Regenbogenlook
mit Tintenfisch in Tunke
und Karpfen blau am Stuck.
Am morgen früh um sieben
maunzt Miezi, will hinaus.
Ich hiev' mich hoch und öffne,
schon ist mein Märchen aus.
Carmen Hoyer, 06.01.2023
109 FREILUFTPREDIGT
Das Land ist groß, die Gegend weit,
musst nur hinausgeh'n,
nutz' die Zeit:
Genieß' die Schatten und das Licht,
ein and'res Leben hast du nicht.
Hol' ganz tief Luft,
bleib' einfach steh'n,
um jeden Grashalm anzuseh'n.
Schau' vor die Füß',
blick' in die Fern',
lach' einfach los und hab' dich gern.
Hör' in dich 'rein,
vertrau' den Sinnen,
fang' auch mal an
herumzuspinnen,
red' mit dir selbst,
verzeih' dem Rest
und freu' dich auf dein warmes Nest.
Und solltest du dies' noch vermissen,
erträum' einstweil'n ein weiches Kissen,
doch achte stets in deinem Herzen,
mit der Natur nichts zu verscherzen.
Carmen Hoyer, 03.01.2023
108 ZUM NEUEN JAHR
Da schaukeln sie in luft'ger Höh',
die prall' schwarzbraunen Zapfen.
Der Kleinste fängt sie mit der Hand,
bewirft die sechs aus Faxen.
Die Männlein, welche still und stumm,
erröten tief darüber,
und warnen mit der Dornenheck'
vor stechend' Rosenblüher.
Das Mädchen selbst ist ganz verzückt
von weißer Schneebeerpracht,
zertritt die Knallerbs'batterie,
so dass es lustig kracht.
Auf einmal steht der Prinz vor ihr
und lädt sie alle ein,
mit Zapfen, Schneebeer', Hagebutt'
zur Hochzeit ihn zu frei'n.
'So schwarz, so rot, so weiß' es heißt,
soll steh'n für unsere Reise
zu Aufbruch, Liebe, Frieden: Glück
auf all' Schneewittchens Wegen.
Carmen Hoyer, 01.01.2023
107 DEUTSCHLAND, EIN LÜGENMÄRCHEN
"Wir sind das Volk!",
so riefen sie
und demonstrierten friedlich
für Reiselust und bess'res Geld,
Parteienvielfalt, die erhellt
Ostdeutschland, klein und niedlich.
"Wir sind ein Volk!",
so grölten sie
und rissen ab die Mauer
und träumten vom Schlaraffenland,
verzockten alles bis zum Rand
und waren nicht viel schlauer.
"Jetzt sind wir Volk in der EU
und finanzier'n die Einheit
und lügen uns die Taschen voll
mit Marketings- und Wirtschaftstroll
und Fremder Kindsarbeit."
"Was ist mit uns?",
schreit 's von der Straß',
die Eigene kleben zu.
"Oh, Jugend Zett, gebt endlich Ruh',
sonst setzt 's was auf die Nas'."
"Wir sind die Zukunft,
hört uns an!"
"Was nehmt ihr euch heraus?!
Ihr Jungen könnt doch eh nichts mehr,
die Bildung Ost schon lange her,
stellt euch doch nicht so an!
Viel wurde für euch investiert
nebst Waffen für den Krieg,
in Pampers, Autos und KI,
in Inflationsgeld-Rutschpartie.
Genießt und chattet lieb
im Internet. Da lebt 's sich fein,
im Matrixglanz und -glitzer
mit bunter Werbung permanent,
mit Künstlers allerletztem Hemd
und Strom aus jeder Zitze."
Carmen Hoyer, 30.12.2022
106 UNSER WEIHNACHTSBAUM
Ein bisschen schief, ein bisschen krumm,
auch fehl'n paar Zweige hintenrum.
So steht der Immergrüne noch,
im Ganzen knapp zwei Meter hoch.
Und harret in der Kälte aus,
dass ich ihn fahr' zu Opas Haus.
Der Nachbar trägt ihn hoch die Trepp',
das ist von ihm besonders nett.
Ich bring' den Nordmann in die Stub',
hoch auf die Hutsche mittels Hub.
Zunächst der Ständer,
dann das Licht,
in langer Kette ausgericht't.
Zehn Herrenhuter d‘rauf sortiert,
die Kabel möglichst weg drapiert.
Es folgt der Silberschmuck aus Glas,
in Thüringen noch mundgeblas'n.
Stanniol-Lametta, schwer und lang,
in Einzelfäden aufgehang'n.
Nun strahlt und funkelt er voll Pracht,
wär hätte das vorab gedacht?
Doch all der faszinier'nd Glamur
zählt stets doch auch die Hälfte nur:
Verführend durch die Zimmerluft
betört er uns mit seinem Duft.
Carmen Hoyer, 17.12.2022
105 VORFREUDE
Ich sehe was, was du nicht siehst,
ich seh' es sonnenklar
inmitten dieser Glitzerwelt,
Advent, Weihnacht, Neujahr.
Es funkelt bunt und schallet laut,
die Konsumtempel bersten,
gekauft wird aber doch im Netz:
Bei Billig sind 's die ersten.
Billig, billig muss es sein,
das and're ist egal,
inzwischen trifft 's für alles zu,
so steht schnell fest die Wahl.
Bald gibt 's nur noch den Einheitsbrei
bei Waren und Partei'n,
die Kinder können kaum noch zähl'n,
weshalb wir welche leih'n.
Aus ander'n Ländern kommen sie
und kümmern sich um uns,
versorgen uns von Arzt bis Zett
und meisterhafter Kunst.
Der eig'ne Nachwuchs lernt nur schwer
mit vollgelad'nen Pampern,
die trägt er bald schon lückenlos
von Kindheit bis zum Altern.
Derweil wird kräftig investiert
in Wegwerf und in Waffen,
in digitale Tyrannei
nebst Ökolo-Lackaffen.
Zum Fest der Liebe sitzen wir
bei Kerzenlicht und Wein
und packen die Geschenke aus
und uns in Decken ein.
Im neuen Jahr wird alles gut,
wir hören noch ein Lied,
die Hauptsach' ist, das Handy geht,
dann hab'n wir uns auch lieb.
Carmen Hoyer, 14.12.2022
104 FRIEDENSSTIFTER
Im Morgengrauen erspähe ich sie,
die kleinen Federbällchen mit dem dunkelblauen Band.
Hinter dem geschlossenen Fenster stehend,
blicke ich fröstelnd nach draußen.
Noch ist es hier recht ruhig und friedlich
und nur das feine Gewisper der drollig Aufgeplusterten
dringt von außen an mein Ohr.
Auf einmal füllt sich mein Herz voller Bewunderung
ob ihres munteren Treibens im kahlen Geäst,
als gäbe es in der Welt keine Kälte, keinen Frost.
Als tuschelten sie mir zu beim Tagesanbruch dieses dritten Advents:
"Es sind die vielen Kleinen,
die leise weiterklingen
und musizierend bleiben,
um Liebe uns zu bringen."
Carmen Hoyer, 11.12.2022
103 STAFFELSTABÜBERGABE
"Was soll nun aus uns werden?"
"Das Gas kommt jetzt aus Übersee"
"Haben wir denn dafür genug Geld?"
"Man kann auch mit Karte bezahlen."
"Wo bleiben wir im Winter?"
"Demnächst gibt 's schnelleres Internet."
"Brauchen wir dafür nicht enorm viel Strom?"
"Das funktioniert ohne Steckdose."
"Müssen wir bald etwa zur Schule laufen?"
"Ein Geschwindigkeitslimit für Autobahnen ist nicht zu befürchten."
"Aber was soll nun aus uns werden?"
"Deutschland kämpft für den Fortschritt."
"Und wir?"
"Arbeitskräfte werden überall gesucht.
Vor, zurück, zur Seite, ran."
Carmen Hoyer, 19.09.2022
102 GOLDENER HERBST
Hurra, hurra, der Herbst ist da!
Das Laub verfärbt sich wieder.
Die Luft ist kühl, der Wind weht frisch,
die Äpfel fall'n hernieder.
Das Fahrrad ächzet in der Böe,
ruft: "Pause! Halt mal an
und setz' dich auf die Kunststoffbank,
dass ich verschnaufen kann."
'Na schön', denk' ich und füge mich
Drahtesels Wunsch nach Rast
und steige ab und setz' mich hin
und spür' die weichend' Last.
Ein Wolkenengel oder Greif
mit riesengroßen Schwingen
fliegt über mir am Himmelszelt
und grüßt nebst ander'n Dingen:
Ein Schiff schwebt in der Ferne hin,
ein Schleier fängt die Sonne,
doch gegenüber wogen jäh
Unwetter voller Wonne.
Zum Glück sind die noch weit entfernt
mit ihrem Lautgebahr'n.
Mein Drahtesel ist ausgeruht,
's wird Zeit, zu dir zu fahr'n.
Carmen Hoyer, 18.09.2022
101 WILLKOMMEN
Lichterfunkeln in der Stadt
bei sommerlicher Hitze,
am Springbrunnen ist 's kühl und feucht,
weht' s Sprudel auf die Mütze.
Lichterfunkeln über 'm See
im Wasser auf den Wellen,
am Ufer glitzert weißer Sand,
dort kann man Eis bestellen.
Lichterfunkeln in der Nacht
von Sternen klar und Kerzen,
im Weinglas oder Edelstein
sowie in liebend' Herzen.
Lichterfunkeln im Daheim,
am Abend nachdem Wind,
in Augen, die vor Glück erstrahl'n
für 's neugebor'ne Kind.
Carmen Hoyer, 26.07.2022
100 HIERARCHIE
Sie diskutier'n und reden
um Bildung für das Land,
vor allem für die Kinder,
mit Qualität stets minder,
und rätseln permanent.
Die immer neu'n Modelle
zum Lehren wie und wann,
rotieren ständig schneller
per Investitionsteller -
beim Schüler kommt nichts an.
Am Geld könnt 's nimmer liegen,
die Lehrer würd'n bezahlt,
hierarchisch stets nach Stufen,
wie auch in ander'n Berufen,
privat oder vom Staat.
Mit ält'rem Quereinsteiger
und jüng'rem Praktikant,
mit Ref'rendar am Vormittag,
Ensembleleiter nachmittags
blieb' keine Stell' vakant.
Das Schlagwort Effizienz
trotzt stetem Lehrermangel,
mal schnell paar Fächer outgesourct
an Institute Tech und Forsch
samt Prüfungsangstgestammel.
Das Wachstum garantieren -
auch Ziel im Studium -
die Gruppenstärke stets erhöh'n,
den Zeitaufwand noch minimier'n
pro Individuum.
Und jetzt noch Psychologen
und digitalisier'n,
das Les'n, Schreib'n, Rechn'n, Denken,
schließlich gäb 's nichts zu verschenken,
um Krieg zu finanzier'n.
Carmen Hoyer, 12.07.2022
99 KUMMERKASTEN
"Manchmal kann ich schlecht schlafen nachts,
ein alter bitt'rer Kummer macht 's.
Im Kreuz tut 's weh, auch nah beim Zeh,
wie 's Herze trauert, Gemüt auch mauert.
Wie soll ich jetzt die Geige halten, um alle Töne zu verwalten?"
So lamentiert die Jule d'rauf
und klappt den Geigenkasten auf.
"Da hilft nur einzigartig yogan,"
spricht daraufhin der Geigenbogen.
Sogleich beginnt er munter denn
beim Fideln kreuz und quer zu renn'n.
Doch auch die Finger linkerhand,
mit Ziffern eins bis vier benannt,
bemühen sich ganz unbeseh'n,
der Säge in nichts nachzusteh'n.
Die Töne fliegen hoch und tief,
zu hör'n ist ein Akkordehieb.
Die Violine protestiert:
"Jetzt wird mal Tai Chi ausprobiert:
Bewegung weich und rund und schön,
ästhetisch prächtig anzuseh'n,
kräftesparend konzentriert,
die Töne wonnig modelliert,
Vibrato groß und mit Bedacht,
so, dass die Jule wieder lacht."
Und Julchen übt und spielt sich fit
mit Suite, Konzert, Partita, Hit.
Da plötzlich ist der Kummer weg
und 's Herz wieder am richt'gen Fleck.
Carmen Hoyer, 11.07.2022
98 BILDUNGSREISE
Dampferfahren auf 'nem See,
das Wochenend' lädt ein,
doch diesmal nicht der kleine Scher-,
der fünfmal größere für quer:
Scharmützel soll es sein.
Frohgemut die Ersten steh'n
und warten auf Lass ein,
noch ist nicht klar, ob 's fährt, das Schiff,
derweil die Gastzahl klägelich,
doch schließlich steigt man ein.
Gemütlich legt das Schiff jetzt ab,
die Rundfahrt startet nun,
vorbei an Ufern lang und grün
mit Schilf, auch Seerosen erblüh'n,
das Auge freut 's, die Glieder ruh'n.
Zu seh'n sind Golfplatz, Yachten, Clubs,
Apartments im Komplex,
Hotels mit oder ohne Stil,
auch mal ein Häuschen in zivil
und Segelbläh konvex.
Der Bordlautsprecher informiert
mit wissenswerten Fakten
zu Kormoran, Storch, Fischeklau,
Scharmützels Immobiliengau,
Amtsenglisch in den Akten.
Das Schiff läuft ein,
die Rundfahrt stoppt,
jetzt lacht sogar die Sonne,
per Promenade zum Café,
dort spricht man deutsch beim schwarzen Tee,
schlemmt Sahne voller Wonne.
Carmen Hoyer, 10.07.2022
97 JULIAPRIL
Morgenfrische blinkt durch 's Fenster
auf geht 's in den neuen Tag,
verlockend auch die freie Zeit,
gespannt, was heut' er bringen mag.
Draußen kältelts ungemütlich,
desto trotz den Tisch heraus,
einen Stuhl und heißen Tee,
gleich sieht die Welt viel besser aus.
Klavier, Viola, Flöt', Kalimba
ruh'n daheim in Eck und Schrank,
allein die Geige, mit vor Ort,
wärmt Geist und Hände, gottseidank.
Per Fahrrad geht 's zum Nachbarort
und wieder kühlt es heftig,
die Einkehr in ein Restaurant
labt steife Glieder deftig.
Am Nachmittag verführt der Park
zum Lesen auf der Bank,
doch nach 'ner Stunde Fröstelung
fühlt man sich plötzlich krank.
Und wieder tut ein Auftau'n not,
im nah'n Café ist 's warm,
ein großer Becher voller Eis,
promt meldet sich der Darm.
Erleichtert radelt 's nun zurück
ins Urlauberquartier,
jetzt aufgewärmt zwei Stunden mal'n
Mandalas vor der Tür.
Dort kraucht die Kälte abermals
mit stetem Unbehagen
von Füßen über Bein und Po
und schlägt arg auf den Magen.
Zum Glück sind jetzt die Freunde da
und laden ein zum Wein:
Kerzen, Snacks und froher Sinn
heizt Lebensgeistern ein.
Carmen Hoyer, 09.07.2022
96 INNERER FRIEDEN
Glasscherben auf dem Boden
Ohne Vorwarnung
Der verdrängte Schmerz tropft auf den Teppich
Die Koffer sind bereits gepackt
Auszeit in der Vergangenheit
Ein alter Bungalow mit Patina
Alte Apfelbäume verknarzt
In der Ferne rauscht die Bahn
Draußen sommerlicher Niesel
Drinnen alte und neue Farben
Aus der Ferne hässliches Brüllen per email
Weiterlesen im Buch
Abendliche Kälte
Müdes Denken
Stille deutlich hörbar
Feuchtigkeit kriecht in die Glieder
Hab Acht
Gut Nacht
Carmen Hoyer, 07.07.2022
95 ERFOLGLOS
Solange es arme Leute gibt, sind die Erfolgreichen nicht wirklich erfolgreich.
Carmen Hoyer, 06.07.2022
94 FATAMORGANA
Die Sonne brennt, die Hitze tropft
von Stirn auf Tisch und Stuhl,
der Himmel dröhnt vor lauter Blau,
die Luft flirrt über'm Pool.
Nur kurz mal Rast, um auszuruh'n
vom Hof samt Hühnervolk,
den Liegestuhl zurechtgerückt,
das Polster ausgerollt.
Verdöst blinzt Mimi durch den Zaun,
wer dort sich g'rade bückt:
Ein toller Hecht, der Nachbarsmann
und auch noch gut bestückt.
Zu angeln diesen wär' famos
und Mimi sinnt auf Lust
nach Früchten, saftig, groß und rund,
da kräht ihr Hahn grad just.
Genervt wirft Mimi ihren Schuh
gen Gockels schrille Lieder
und widmet wieder sich dem Mann
samt seiner herrlich Glieder.
Gedanklich träumt sie glücklich schon
vom Schmaus im trauten Heim
mit Rosen, Kerzen und Kamin
auf Bärenfell zu zwein.
Hallo, Frau holde Nachbarin,
was machen sie denn hier?
Jetzt spricht der Hecht sie sogar an,
was will er denn von ihr?
Ist's gar eine Löwe oder Stier,
wieso erkennt sie 's nicht?
Verstört wacht Mimi plötzlich auf.
Als Tröster dies Gedicht.
Carmen Hoyer, 04.07.2022
93 AUF UND ZU
Als junger Mensch freut man sich über Baustellen und ist fasziniert von den großen klaffenden Wunden in der Natur. Im Alter tröstet jede, die von der Natur wieder geschlossen wird, vorausgesetzt, man hat in der Zwischenzeit etwas dazu gelernt.
Carmen Hoyer, 17.06.2022
92 ZIVILES ÖKOSYSTEM
Liebster Adam, wenn wir zusammen sind, machen wir halbe, halbe bei der Arbeit.
Ja, gewiss doch, liebste Eva: Für alles, was Du mir aufträgst, baue ich eine Maschine, und während diese Krach macht, schaue ich dir bei deiner Arbeit zu.
Oh, dann benutze ich einfach auch deine Maschine und während die Krach macht, schaue ich dir bei deiner Arbeit zu.
Na, dann baue ich eben noch eine zweite Maschine, und während beide Krach machen, schauen wir denen bei der Arbeit zu.
Und wenn mir langweilig wird vom Zuschauen?
Dann baue ich noch eine dritte Maschine, und während diese Krach macht, guckst du bei dieser Maschine zu.
Aber wenn diese Maschine kaputt geht?
Dann baue ich dir eine weitere Maschine, und während diese Krach macht, schaust du zu, wie sie die andere Maschine ganz macht.
Aber wenn dann der Strom ausfällt?
Dann baue ich dir noch eine Maschine, die ohne Strom Krach macht.
Und womit macht diese dann Krach?
Mit einem Fahrraddynamo, den du mit deinem Strampeln zur Höchstleistung bringst.
Und ich schaue dir dabei zu, du dumme Kuh.
Carmen Hoyer, 15.06.2022
91 RIDICULOUS
Grüne Parkbank und das Fahrrad,
lesen unter hohen Bäum'n,
's Kind kreist mit dem Laufrad ein,
reißt Grandma aus den Träum'n.
"Zwei Pistolen um zu schießen
Mauern ein und nieder:
Wenn sie mich doch endlich ließen!
Grandma, hörst mich wieder?!"
"Was redest, Enkelin, du da?
Man spielt doch nicht mit Waffen!"
"Auch Mädchen dürfen das jetzt tun,
sich machen wie zum Affen."
"Nun hör' mal zu,
damit du's weißt,
dazu musst du erfahren,
wie man dem Urahn' Zucker gibt,
um Leben zu bewahren:
Als erstes brauchst du Glanz um's Haar
und einen Heil'genschein
und strahlend weiße Zähne pur
zum Lächeln immerdar.
Mit beidem machst du dich Liebkind,
bleibst dennoch froh und keck,
das Outfit möglichst unscheinbar,
das Herz am rechten Fleck.
Bestimme deinen eig'nen Lohn,
verzichte auf die Gier,
hör' oft den alten Weisen zu
und schätz' das Jetzt und Hier.
Steht an die neue bunte Wahl,
so lass gesagt dir sein:
Misch vorher alle Farben durch,
sollst nicht verwundert sein.
Nimm dich in acht und schau genau,
wie sie euch Junge foppen,
mit Sondervermögenmilitär
sollt ihr euch für sie kloppen."
"Doch Grandma hör', wie sie uns quäl'n
mit ihrer Dummheit Angst
und lauthals lügenhaft erpressen,
dass jed's nach ihnen tanzt."
"Sprich einfach nur 'Ridiculous'!
Kipp aus den braunen Farbtopf
und mal' damit die Kackewurst
ins Maul des Imperialmops.
Und schreib' damit die Wörter auf,
die ihre Mauern stürzen:
Es hält den steten Lebenslauf
nicht auf des Menschen Kürzen.
Nun komm, mein Kind, wir fahren jetzt,
mir ist schon etwas heiß."
"Ach, bitte, Grandma, erst dort vorn
ein kleines Schokoeis!"
Carmen Hoyer, 06.06.2022
90 SIEBENPUNKT (ZUM KINDERTAG)
Kinder, kommt mal alle her,
heut' ist doch euer Festtag,
noch ist die Wünscheliste leer,
die geb'n wir jetzt in Auftrag:
o
Ein Zuhause, wo man sicher ist,
wo eins das and're wärmt,
wo Zuhör'n ritualisiert
zur Achtsamkeit gehört.
o
Ein runder Tisch, wo man sich find't,
und alle gleichgestellt,
wo Speis' und Trank gepriesen sind
und sparsam aufgeteilt.
o
Ein Garten voller prallem Grün,
mit Bäumen bis zum Himmel
und saub'rer Luft im Felderblüh'n
samt Schmetterling und Schimmel.
o
Die Schule, wo man gern hingeht
und gute Freunde kennt,
der Lehrer meisterhaft versteht,
warum 's Kind falsch benennt.
o
Ein Elternpaar mit viel Gespür,
wahrhaft und resolut,
trotz Broterwerb Sinn für Plaisir
und allzeit frohgemut.
o
Auch Oma, Opa, liebevoll,
geleiten 's Kind in Schlummer
mit Märchenfee und Sagentroll,
vergessen jeder Kummer.
o
Vor allem aber wünschen wir:
Mög't ihr uns Vorbild sein,
dass uns're Kinder sich noch hier
am Siebenpunkt erfreu'n.
Carmen Hoyer, 01.06.2022
89 BAUCHWEH
Europa hat sich übergessen,
rumort's in ihr'm Verdauungstrakt,
das Kleid ist völlig durchgesessen,
die Windel ständig vollgemacht.
Gepampert wird von Null bis Alt,
bei manchem zahlt 'ne Kasse
eventuell, je nach Etat,
die ander'n spar'n durch Masse.
Der Wohlstand wächst, es wird bequem,
die Arbeit outgesourct,
mit Bits und Bytes ganz angenehm
das Denken mit entsorgt.
So bläht das Euroland gen Ost,
freiwillig mit Krediten
und furzt dabei vom Freiheitsmost
mit saftigen Renditen.
Nun hat's gekracht: Wie kann das sein?
Woher kommt bloß der Krieg?
Ein Schnellbeschluss gönnt Staatsanleih'n
dem Natowaffenschmied.
Der Rest der Welt soll sanktionier'n
den kriegerischen Macho,
derweil tut man sich selbst blamier'n
mit Wirtschafts-Tohuwabohu.
Ein Gutes hat das Ganze doch:
Die Flücht'gen aus dem Osten
ersetzen's Arbeitskräftemangelloch
und bildungshole Pfosten.
So bleibt vorerst die Kolik aus:
Das Fressen geht so weiter,
beim Kleid kommt nun 'nen Flicken d'rauf,
die Windel wählt man breiter.
Carmen Hoyer, 29.05.2022
88 MAIGLÖCKCHEN
Hei, wie ist das Leben fair,
so wohlig und bequem,
zwar ist die Kasse ziemlich leer:
Per Schulden kein Problem.
Hier und da ein Leckerli,
von Reich und Arm ertrotzt,
für Letzt're gibt's klein Kleckerli,
bei Erst'ren wird geklotzt.
Wenn Bauer nicht mehr leben kann,
von Acker, Kuh und Schwein,
so tauscht er Land solar, alsdann
lässt Fünf er g'rade sein.
Der Mittelständler ist verdammt,
die Pleite jubelt fest,
die Mitarbeiter geh'n zum Amt,
er insolviert den Rest.
Ganz oben freilich ist's famos,
da dreht sich's um Milliarden,
die Ampel zieht das große Los
für Waffenschmieds Komparsen.
Derweil die Menge fährt im Zug
auf Ticket Euro Neun,
inflationiert ihr Hab und Gut
ins Wohlstandswachstum ein.
Die Menschen wählen kunterbunt
von frei bis demokratisch
mit Gender-Asthma oder Hund,
oft manipulatorisch.
Wenn Krieg und Hunger, Sturm und Flut,
im Fernseh'n TV-sieren,
so ist dies alles wohlgemut
weit weg zu debattieren.
Im Wald, da ist's noch menschenleer,
Maiglöckchen sind am Blüh'n,
das grüne Tuch aus Blättermeer
grüßt Lebens Aufersteh'n.
Carmen Hoyer, 19.05.2022
87 JOACHIM
Wie mag es nur sein,
dass du mich berührst,
wie kann es doch sein,
dass du mich verführst,
ob früh oder spät,
ob Schmaus, ob Diät,
egal, ob zusammen oder Wege verkehrt.
Wie stellst du es an,
dass fühl'n ich mich kann,
mal klein oder groß,
wie machst du das bloß,
ob Berg oder Tal,
weit weg oder nah,
froh jauchzend oder überdauernde Qual.
Geburtstag hattest gestern du,
ich konnt' nicht bei dir sein,
so feiern wir das Fest nun heut'
zu zweit im Herzen ohne Leut'
und lassen's uns gar wohlig sein
bei frischer Luft und Sonnenschein.
Carmen Hoyer, 26.04.2022
86 STILLE
Jetzt ist er weg,
wenigstens für kurze Zeit,
entspann' deine Seele,
erhol' dich vom Leid.
Genieße das Klappen
der schließenden Tür,
das Wegfahr'n des Autos,
nur du bist noch hier.
Deine Kinder schon groß,
es winkt Großmutter Glück,
doch Weiten entfernt
bleibt's drum ein kleines Stück.
Es gibt fremde Hoffnung
für Liebe zu zweit,
doch noch für den Preis nur
in Alleinigkeit.
In Stille bette deine Ohren,
atme tief in dich hinein,
folge deinem inneren Frieden
und du wirst nicht einsam sein.
Carmen Hoyer, 21.04.2022
85 EIERTRUDELN
Weg mit dem Computerspiel,
fortan hätt' er' ne Freundin.
Oh, lasst ihm dieses Glücksgefühl,
verspielt sonst sein Heldin.
Mit Horch und Guck wird spioniert,
das wie und wo der ander'n,
im Darknet schließlich kontrolliert,
die Taler müssen wandern.
Analog gilt relevant nicht frisch
für's Welttheater heute:
Die Spieler zocken unter'm Tisch,
bezahl'n tun's kleine Leute.
Das war schließlich schon immer hier
beim Streit um mein und dein.
Die größten Eier hat der Stier
und nicht das Hasilein.
Nicht desto trotz ist's Leben schön,
die Sonne lacht von oben.
Mög' auch die Nacht mal dunkel sein,
den Frühling alle loben.
Vergessen alle Schmach und Pein,
ein neues Spiel beginnt:
Der Garten loggt per Strom herein:
Das Osterei gewinnt.
Carmen Hoyer, 13.04.2022
84 ERSTES ZÄHLEN
Auf dem hölzernen Thron sitzen ein Einer und ein Achter.
Endlich können sie die spektakuläre Aussicht genießen, nachdem sie sich jeweils das Zweib und das Gut vorgesilbt haben. Das wiederum hatte endlich die Entfernung des schattierenden Blätterdachs
ermöglicht.
Nun transpirieren sie gemeinsam in den gleißenden Sonnenstrahlen und debattieren darüber, ob sie im Anschluss an ihre Paarung eher in einen Zweier oder Zehner metamorphosen, um auf diese Art und Weise noch den letzten Fünfer aufzuspüren, mit dem sie sich einen flotten Dreier leisten können, somit den vermeintlichen Sechser im Lotto gewinnen, um per Bahnvierer und sieben auf einem Streich in die ruhmreiche Unendlichkeit durch alle neune einzugehen...
Carmen Hoyer, 06.03.2022
83 SCHRITT FÜR SCHRITT
300 Schritte sind es bis zur Kreuzung vor dem Wald, 600 Schritte bis zum roten Wanderweg nach rechts abbiegend, 1050 Schritte bis zur Abbiegung rechts zum Katharinensee, 1150 Schritte bis zum Katharinensee, 1250 Schritte zurück zur Abbiege, 1390 Schritte bis zur Kreuzung Katharinenstrasse/Ecke Spielplatz, 1990 Schritte bis Lindeneck, 2200 Schritte bis zum Waldanfang beim blauen Reiterschild, 2600 Schritte bis zum roten Wanderweg, weiter geradeaus, 3100 Schritte bis zum blauen Reiterweg, 3300 Schritte bis zur Wegkreuzung am offenen Feld nach links abbiegend, 3600 Schritte bis zur Sumpfstelle, 3710 Schritte bis zur Weggabelung rechts nach Schönfließ, 4420 Schritte bis zum ersten Gehöft, 4820 Schritte bis zum Kindelweg nach links abbiegend, 5900 Schritte bis zur Koppelschänke, 5930 Schritte bis zum blauen Wanderweg nach links abbiegend, 6150 Schritte bis zur großen Kätzchenweide, 6450 Schritte bis zum Holz-Thron.
Carmen Hoyer, 03.03.2022
82 UNWETTER
Wütend peitscht der Regen gegen die Fensterscheiben:
Die Vielzahl seiner Tropfen vereinigt sich zu durchgängigem Tränenfluss.
Ein zorniger Sturm erwächst zum Orkan
und verbiegt das ganze Überirdische,
entwurzelt alles Beständige.
So wild und aufgebracht gebärdete sich das Draußen lange nicht.
Stumm schaue ich dem Tosen zu
und vernehme meine Gedankenrebellion:
Wie die Kinder pandemisch im Stich gelassen wurden,
wie sich die Schlinge um die Kleinen Leute immer mehr verengt,
wie es zwischen den Mächtigen immer lauter manövert,
wie die Tierwelt in die Zoos abschrumpft,
wie die Flora in den Gewächshäusern ächzt,
wie das Weltenklima köchelt,
wie der Große Kessel...
Fiiieeep!
Ein Glück: Heute ist es nur der Wasserkocher in meiner Küche...
Carmen Hoyer, 17.02.2022
P.S.: Am 24.02.2022 bricht der Krieg zwischen Ukraine und Russland aus
81 BARBARISCH
Kulturförderprogramme in diesem Staat bedeuten, alle profitieren davon:
Beamte, Steuerberater, Vermieter, Caterer, Internetportale, Technik, Bürobedarf...ausgenommen die Kulturschaffenden - "nicht systemrelevant" lautet die Verurteilung durch die Barbaren.
Carmen Hoyer, 14.01.2022
80 ZEIT
Die Zeit ist die Anwältin der absoluten Wahrheit.
Carmen Hoyer, 13.01.2022
79 GLÜCKLOSES SPIEL
Die Zocker dieser Welt feiern ihre Schlaumeierei, den Rest der Welt zu betrügen. In Wahrheit sind sie impotente Jammerlappen, die nicht sehen, dass es vor allem ihre eigene Seele ist, die sie veruntreuen.
Carmen Hoyer, 11.01.2022
78 "SCHNEEWITTCHEN"
Liebling, verspeise mich zum Frühstück!
Liebling, mit Schokosauce pur!
Oben gibt's d'rauf noch eine Kirsche,
serviert auf weißem Styropor!
Kracht dann das Styropor zusammen,
setz' ich mich einfach obendrauf
und schleck die Sauce und die Kirsche,
Liebling, von deinem runden Bauch!
Willst wieder du dann etwas naschen,
zwinker' mir doch ganz einfach zu,
bis wir laut lachen um die Wette,
fortan ist's aus mit stiller Ruh'.
Gleichwohl wir beide fürstlich speisen,
sind wir doch immer noch nicht satt,
vom Spielen, vom Raufen und vom Scherzen
wir beide fühl'n nur mal kurz schachmatt.
Carmen Hoyer, 07.01.2022
P.S.: Ist als Gassenhauerlied vorzutragen, Melodie bei Carmen im Kopf
77 COVIDNARREN
Es war einmal vor rund zwei Jahr'n
als plötzlich ausbrach Seuch'alarm:
Ob Ischgels Schiezirkus am Wall,
die Kölner Jeck' beim Karneval,
beim Sachsen oder Bayersmann,
bald hieß es: Rette sich, wer kann.
Verstecken war jetzt angesagt,
vor'm Virus aus Fernost,
welch's im Gepäck Gevatter Tod,
der ihm nun Lockdaun droht.
Corona heißt das fiese Ding,
das keinen Spaß versteh';
wenn Mensch es nicht bewirten will,
mutiert's von A nach D.
Der Sommer kommt, der Urlaub naht,
es scheint die Sonne froh,
der Mensch fährt weg zum Ballermann,
Corona ebenso.
Doch ach und weh,
im Herbste dann
sind alle wieder da,
erneut schließt man die Grenzen dicht,
im Labor brennt noch das Licht:
Dann endlich ist er wirklich da,
der Schutzschild weltenweit
gen Massensterbenpandemie
steht Impfstoff jetzt bereit.
Doch leider stellt sich nun heraus,
dass wirksam dieser schützt
nur, wenn tatsächlich er verimpft,
dann Mann und Frau er nützt.
Auf den Balearen nimmt ein Mann
der Sach' sich militärisch an.
Auch China führt mit starker Hand,
entseucht brutal das ganze Land.
In Österreich droht jetzt der Eklat
mit Impfpflicht für die Freiheitsschar,
doch Deutschland streitet kreuz und quer,
Europa noch viel mehr.
"Nein und nimmer, nie und nicht,
so war das nicht gemeint,
soll'n doch die ander'n impfen geh'n,
die Freiheit uns vereint!
Auf in den Kampf! Und jetzt erst recht,
sonst geht's dem armen Virus schlecht.
Gemeinsam schützen Kind und Kegel
vor böser Wissenschaftenregel,
die's Covidleinchen hat durchschaut
und gegen dies' mit Impfstoff haut!"
Carmen Hoyer, 21.11.2021
76 AN MEINE ENKELIN
Ich weiß nicht, ob ich Worte find',
weiß nicht, wie ich's dir sagen soll:
Das Land der Dichter, Denker - Kind,
mein Land versinkt in Sumpf und Groll,
im Pfuhl des Aberglauben schwer,
gepaart mit egozentrer Freiheitsmär,
misstrauisch gegen Forschermut,
mit Unvernunft als Tunichtgut.
So wie der Herr so das Gescherr:
Die Obrigkeit posaunt Lockdaun,
des Mainstream Lärm brüllt kreuz und quer,
statt Bürgerpflicht für Impfabwehr.
Von Deutschland sprech' ich, liebes Kind,
dein Land der Zukunftsherzen.
Und silbern klingt der hohe Dom
zu einsam' Lichterkerzen.
Carmen Hoyer, 19.11.2021
75 ER SAGT
Er sagt, er tanze nicht.
Er lasse tanzen.
Er wähnt sich gottgleich,
gern auch teuflisch.
Ein schwarzes Loch,
noch.
Die Sonne gibt ihm einen Heiligenschein.
Carmen Hoyer, 18.11.2021
74 CALLING
"Sag'n Sie mal, Sie hör'n wohl schwer?
Wir sind doch keine Feuerwehr!"
"Manometer, also dann
ruf' ich später wieder an."
"Hör'n Sie mal, schon wieder Sie?
Schneller geht's nicht, holali!"
"Ja, was soll ich denn noch machen?
Mir vergeht schon bald das Lachen."
"Nun hab'n Sie doch etwas Geduld.
Dass keiner hört: Alexas Schuld."
"Du liebes bisschen, alle Kunden
warten hier doch schon seit Stunden!"
"Jetzt sei'n Sie doch mal wieder friedlich,
gleich schrumpfen wir's Problemchen niedlich:
Mit Robot, unser'm Frohsinns-Dater
und Telefunk-Communicater.
Gewinne macht die Firma heut'
und feiert froh mit ihren Leut'.
So seh'n Sie doch mal endlich ein,
gelassen digital zu sein."
Carmen Hoyer, 10.09.2021
73 AUGUST
Nun sind sie vorbei,
die hochsommerlichen Hundstage.
Ein paar Sonnenblumen
winken noch freundlich im Rückblick.
Abgeerntet sind Feld und Flur,
nur der Mais steht noch übrig.
Unwirtlich faucht der Wind
zwischen den nässenden Schauern.
Vom Hindukusch dringt ein Grollen
bis in die hiesige Apathie:
Das zersplitterte Land harret in dumpfer Erwartung
der steigenden Inzidenzen.
Carmen Hoyer, 17.08.2021
72 DEMOKRATIE
Demokratie bedeutet Volksherrschaft, Pech nur, wenn man nicht zum Volk gehört.
Carmen Hoyer, 14.08.2021
71 SCHAUM
Wenn ich zum Kochen Seife verwende, sollte ich mich hinterher nicht wundern, wenn ich anschließend Schaum vor dem Mund habe.
Carmen Hoyer, 14.08.2021
70 TRULLE UND MULLE II
"Ich möcht´ so gern verreisen,
am liebsten um die Welt!"
"Ach nö, ich mag die leisen,
am liebsten auch die weissen
Mäuschen auf dem Feld."
"Ich möcht´ so gern erforschen:
Das Sein und dessen Nicht!"
"Und ich möcht´ lieber schmusen
in kusch´lig weichen Flusen
an Deinem lieb´ Gesicht."
"Ich hätt´ so gern ein Schlösschen
mit Rosen und Kakao!"
"Und ich schnurr´ wie ein Kätzchen
und fauche dann ein bisschen
auf deinem Schoß:
Miau."
Carmen Hoyer, 07.08.2021
69 KLIMASCHUTZ
Es gibt keinen Klimaschutz durch Menschen.
Es gibt nur Klimaschutz vor Menschen.
Carmen Hoyer, 29.07.2021
68 MEINE KINDER
"Meine Kinder werden später
gutachten und Beamter sein
oder Faktenrechtsverdreher",
freut´s Aristokraten Klein.
"Meine Kinder werden sicher
Makler und Verkaufsfilou,
eventuell auch Zahnversich´rer",
tönt´s Management dazu.
"Meine Kinder werden Playboy
oder -girl in schwarz und gold,
nebenher bei Shows und Partys",
branzt Aktienmogul Hold.
"Meine Kinder werden weder
Bäcker, Schneider, Geiger, Koch,
es lohnt der unikaten Müh´ nicht",
sinnt´s Handwerk über´s Kassenloch.
"Meine Kinder werden Bettler,
Flüchtling oder Terrorist,
Kaffee- oder Pornosklave",
weint´s aus der Containerkist´.
"Meine Kinder wird´s nicht geben",
ächzt weltenweit der Wald:
"Wenn eure das noch miterleben,
werd´n die wohl nimmer alt".
"Das ist mir alles ganz egal,
was meine Kinder tun,"
spricht Mutter Erde frohgemut:
"Dann werd´ im All ich ruh´n.
Von dort schau ich zum Mars herab
auf´s silbrig Spielzeugland
aus funkelnd´ Automatenschrott,
geformt von Cyberhand."
Carmen Hoyer, 28.07.2021
67 HORIZONT
Weit, weit über´s Land
schweift der Blick zum Horizont:
Was im Tal gewohnt pariert,
wirkt auf einmal kleinkariert,
scheint hellerlicht besonnt.
Sieh hinab vom Apfelbaum,
den als Kind du riesig fandst,
dessen Äpfel unvergleichbar,
in den Ästen unerreichbar,
nunmehr leicht sie ernten kannst.
Sieh hinab vom hohen Fels,
an dessen Fuß du hadernd standst,
zu nehmen Stiege Stuf´ um Stuf´,
so wie die Hürden im Beruf,
für den du jetzt gern tanzt.
Sieh hinab vom Weltenall,
des´ Sterne wir so oft erträumen,
erblick´die Erde durch die Augen
derer, die sie schon bestaunten:
Das Tal zu leben nicht versäumen.
Carmen Hoyer, 16.07.2021
66 FAHRRAD
Seht mal her, wie´s radelt quer
von Schildow in das Land umher:
Mal nach Berlin, dann an den See
in Wandlitz Oder Havel Spree.
Im Urlaub, Alltag, bei der Pflicht,
doch ohne FahrRad geht es nicht
vorbei an endlos Blechlawinen
und öffentlichen Abfahrtslinien.
Gestrampelt wird noch selbst, bewusst,
dass jeder Tag verdient sein muss,
erfüllt von Ausgeglichenheit
in Körper-Seelen-Heiterkeit.
Im paradiesisch Brandenburg
das Radelherz all das erlukt:
Province mit alten Streuobstwiesen,
Auenland mit schönen Fließen.
Baumalleen vom alten Fritz,
Schermützel wohnt im See, kein Witz!
Und wer´s nun auch noch bergig liebt,
in Märkisch Schweiz sein Fahrrad schiebt.
Was soll ich also erzähl´n?
Man kann beim Essen oft nicht wähl´n,
es sei, man weiß genau Bescheid,
wo´s noch Gourmet gibt für den Leib.
Zu guter Letzt steig ich nun ab,
vom drahtig Esel, der nie schlapp,
in Buckow kehr´ ins "Körbchen" ein,
lass´ alle viere g´rade sein.
Carmen Hoyer, 15.07.2021
65 ERINNERUNG
Dein Lächeln ganz zuletzt für mich,
bevor du gingst für immer,
lebt in mir fort, anheimelnd warm,
umarmt vom mütterlichen Lied
für´s Kind, nun klingt es nimmer.
Das Lied, welch´s oft du sangest leis´,
Sandmännchen rief´s herbei,
ein Träumelein zu schenken mir,
zu bannen Angst und Kümmernis
vom kleinen Töchterlein.
Die Liebe und den Lebensmut,
mit voller Herzlichkeit,
gabst du mir mit auf meinen Weg
und deinen Enkeln ebenso,
Geburtstag hätt´st du heut´.
Carmen Hoyer, 14.07.2021
64 JULI
Schwing, schwang, Glockenklang,
schweben, heben, lallen, fallen,
hoch hinaus zum Himmelszelt,
tief hinab, die Schaukel hält,
Sommer lacht verwegen.
Stieglitz, Amsel und Pirol
alle Farben toll´n frivol,
Wiesen blüh´n in bunter Pracht,
Sonne heizet, dass es kracht,
Badesee im Regen.
Lilie, Korn und Königskerze,
liebestrunk´ne Sommerscherze,
unbeschwert durch´s ganze Land,
Maskenschutz kurz weg verbannt,
Luft hol´n und bewegen.
Carmen Hoyer, 13.07.2021
63 STILLE
Noch immer ist er nicht verklungen,
der Nach- vom Aufprall, dumpf und schwer,
´s ist ist nicht der erste in der Kurve,
die Fahrer lockt zu mehr.
Urplötzlich ist der Lärm verstummt,
der dauernd schallt herüber,
kein Reifenrauschen, kein Gedröhn,
so friedlich hätt´ man ´s lieber.
Doch Tags darauf schreit Wut im Bauch,
zu dem, was´ Tatortnachlass bot:
Die Täter völlig unversehrt,
die Opfer beide tot.
Zur falschen Zeit am falschen Ort,
es brüllt heraus: Warum!
Ein Unfall war´s, Vergeltung leis´,
erst Stille heilt:
Stumm.
Carmen Hoyer. 12.07.2021
62 JUNI
Ein erster wohlig warmer Fön
bläst auf zum Fest der Kinder,
umwogt die Leiber, zerzaust das Haar,
auch das der Wiesen Gräserschar,
weht fort der Sorgen Bänder.
Robinien schmücken sich der Länge
als Frühlings letzter Gruß
voll üppig Rispenohrgehänge
in cremig Weiß auf leichtem Grün,
gefiedert von Kopf bis Fuß.
Am Feldrain winken Roter Mohn
und Königsblau im Korn,
ein leises Fernweh tut sich auf,
mit Fahrrad bis zum Horizont
und Rückenwindansporn.
Schon schwillt die Hitze, gleißt das Licht,
der Rose Hochzeit naht,
die Sonnenwende kündet an,
den Blitz und Donner dann und wann
nebst fröhlich Sommerbad.
Carmen Hoyer, 21.06.2021
61 RECHTS UND LINKS
Als Rechtshänder sollte man viel mehr mit links machen.
Carmen Hoyer, 21.06.2021
60 TREIBHÖLZER
Dein schroffes Bild gefällt mir,
dieses von uns beiden:
Zwei Treibhölzer sind wie wir,
die lose aneinander reiben.
Aus zwei verschiedenen Welten,
die einst sich mächtig wähnten:
Da hieß man den Verstand nur gelten
und Dort mit Glauben alle zähmen.
Das Da und Dort ist jetzt das Hier,
die alten Boote bersten,
doch beider Planken binden wir
mit dem Ringanker unserer Herzen.
Carmen Hoyer, 03.06.2021
59 MAI
In des Wettertangos Wechselbad
zwischen Sonnenstrahl und Kühle
verführt am nahen Gartenwegesrand
das lila Schwert der blauen Lilie.
Der Duft von Flieder im zarten Violett
verströmt schon Aura der Glückseligkeit,
doch intensiver betört das grüne Bett
der weißen Glöckchen an Waldes Seit`.
Frohlockend kess und sinnlich provokant
steh`n Kastaniens Kerzen stramm,
und Rhododendrons Blütenbälle allesamt
zieh`n mit Leuchtefarben in den Bann.
Doch unerreicht an Herrlichkeit
ist der Bäume Kronendach,
wie auf Säulen im Spalier,
kathedralenhaft und millionenfach.
Carmen Hoyer, 29.05.2021
58 GLÜCK
Glück ist vor allem perfektes Zeitmanagement:
Sowie man aus dem Takt gerät, wird aus Musik Lärm.
Carmen Hoyer, 27.05.2021
57 HIMMEL UND HÖLLE
Die Menschen reden von Gott und meinen sich.
Carmen Hoyer, 11.05.2021
56 APRIL
Blüten ploppen, Vögel singen,
Melodien und Klänge schwingen
zwischen Rosa, Pink und Gelb und Weiß
und zartem Grün auf Frühlingsgeheiß.
Weckruf mit dem Vogelchor,
nachts Frau Nachtigall im Ohr,
im Sonnenlicht Forsythien dort,
in Bodennähe Reif und Frost
treibt die Hummeln hier und jetzt
in unterirdisch Höhlenort.
Das Haar zerzaust, die Jacke bläht,
der Pollen durch die Ritzen weht,
das Kind im Wettlauf mit dem Wind,
noch zuversichtlich, ob's gewinnt:
Erhitzt, erschöpft und nicht mehr rühr'n,
wie schön wär's, zärtlichen Regen zu spür'n.
Carmen Hoyer, 25.04.2021
55 TRILOGIE
Aller guten Dinge sind drei:
Du und ich
und die
Malerei.
Carmen Hoyer, 09.04.2021
54 MÄRZ
Noch weht ein rauer Wind,
doch die Sonne gewinnt stetig an Kraft
Seltene Mammatuswolken beuteln am Himmel vor zwielichtigem Horizont
Im kahlen Geäst der Bäume schwillt der Vögel Gesang
und kündet vom neuen Aufbruch alles Lebendigen
Neben den restlichen Schneekristallen im Schatten
läuten die kleinsten Glöckchen das lichte Frühjahr auf der Erde ein.
Carmen Hoyer, 20.03.2021
53 MEIN MÄDCHEN (Zum Weltfrauentag)
Siehst du das Lächeln,
das Lächeln der Mutter
und jenes vom Vater, den Großeltern noch,
das Lächeln der Kinder beim Spielen zu Hause,
der Puppen und Teddy mit treddeligem Loch:
Mein Mädchen, mein kleines,
mein Sonnenschein, du,
mit dir kann ich fliegen und träumen dazu.
Siehst du die Tränen,
die Tränen des Jungen,
der bangte und hoffte, dein Herz zu betör'n,
und die deiner selbst,
als der eine verließ dich,
zu schauen, nach der Stimme der ander'n zu hör'n:
Mein Mädchen, mein junges,
mein Röselein, du,
mit dir kann ich fühlen und leiden dazu.
Siehst du das Lächeln
der Augen deines Kindes
und das deiner Eltern, nun stützt sie dein Arm,
das Lächeln des Liebsten, der Freunde, Kollegen
und geschäftiger Leute mit weltlichem Charme:
Mein Mädchen, mein großes,
meine Tigerin, du,
mit dir kann ich stark sein und kämpfen dazu.
Siehst du die Tränen,
die Tränen der Liebe,
auf denen du schwimmst
bis zum Ende des Ichs,
so sie dich gequält und doch weiter getrieben,
bis heilend getrocknet im ewigen Licht:
Mein Mädchen, mein altes,
meine Königin, du,
mit dir kann ich weilen in gütiger Ruh'.
Carmen Hoyer, 8. März 2021
52 FEBRUAR
Es ist die Kälte,
welche Mark und Bein durchdringt,
den Lebensatem dir zu nehmen droht
und eine Ruhepause erzwingt.
Es ist der Glitzer,
der die Schneedecke übersät,
die Sonnenstrahlen wie Brillanten reflektiert
und in deinen Kinderaugen funkelt.
Es ist der Wald
mit seinen bestiefelten Bäumen
und unablässig trommelnden Spechten,
der dich den baldigen Aufbruch erahnen lässt.
Es ist der Mensch,
der innehält und staunt
über die reinigende Kraft
des vermeintlichen Stillstands im Winterwunderland.
Carmen Hoyer, 10.02.2021
51 JANUAR
Ein neuer Schnee.
Mit seinem weißen Schleier
deckt er über Nacht
den veralteten Kummer zu.
Ein neuer Weg.
Aufgrund seiner Unwägbarkeiten
verführt er auf einmal zum Aufbruch
trotz der winterlichen Kälte.
Eine neue Aufgabe.
Noch ungewohnt und aufwendig
befreit sie plötzlich die Gedanken
von starrem Trübsinn.
Das neugeborene Kind.
In Schutz und Geborgenheit
strampelt es bereits aufbegehrend
für einen Neubeginn.
Carmen Hoyer 11.01.2021
50 MEOW UND MIEP
Du bist mein Meow
Und ich deine Miep,
Zusammen sind wir glücklich
Und haben uns lieb.
Carmen Hoyer, 07.01.2021
49 TRULLE UND MULLE I
TRULLE: "Weißt du, was ich gerade überlege? Warum manche Anti-Coronabeschlüsse so lächerlich wirken. Weil eben alles bis ins Detail vorgeschrieben wird. Weil der Rahmen nicht stimmt. Der Rahmen
wäre: 1,50 m Abstand zwischen Nichtfamilienangehörigen, So, und dann muss sich jeder eine Birne machen, wie er das umsetzt. Aber so, wie diese Trottel das machen, indem sie alle auffordern,
heldenhaft auf dem Sofa auszuharren, fühlt sich das Volk entmündigt und reglementiert und kaspert nur herum. Es ist eben so: Das Volk ist so, wie die Regierung und umgekehrt. Da kann man nichts
machen als trotzdem fröhlich lachen."
MULLE: " Und was macht man mit den vielen Hohlbirnen?"
TRULLE: "Aussortieren"
MULLE: "Aussortieren? Na, das bedeutet doch Lockdown."
TRULLE: "Das schon, aber die haben die Birnen aussortiert."
MUlle: "Komisch."
Carmen Hoyer, 30.11.2020
48 TANNENGRÜNE ZWEIGE
Tannengrüne Zweige,
Kranz zur letzten Ruh',
trauern um die liebsten Ahnen,
die uns mahnen,
decken sanft sie zu.
Tannengrüne Zweige,
Sternkranz im Advent,
Vater, Mutter, Kind erwartungsfroh,
Fremde ebenso,
die man noch nicht kennt.
Tannengrüne Zweige
glitzern wie im Traum:
Liebe wärmt die Herzen zart und weich,
heilt Gedankenreich
unter'm Lichterbaum.
Carmen Hoyer, 20.11.2020
47 OKTOBER
Üppiges Gold,
noch eben schmückend das dunkle Geäst,
schon taumelnd und fallend beim herbstlichen Fest,
welch's tanzend und rauschend im herbstlichen Wind
die Taler verstreut über'm haschenden Kind.
Treppen und Stufen,
gepriesen und verrufen in Raum, Zeit und Geist.
Den Frohsinn im Schweiße erklommen,
beim Abstieg zerronnen,
in Trauer verwaist.
Und wieder hinauf bis zum Gipfel nach oben;
hernach hinunter bis auf den tiefen Grund.
Nun zeigt sich des Lebens schönste Farbe:
Nicht Gülden, sondern leuchtend Bunt.
Carmen Hoyer, 27.10.2020
46 SEPTEMBER
Kühler am Morgen.
Weicher das Licht.
Glitzernde Wiese.
Weiter die Sicht.
Letztmalig Hitze
mit verwüstendem Brand
und Hoffen auf Regen
für Seele und Land.
Sehnsuchtsvolle Blicke
aus dem Zug auf Schienen
zu jenem in den Lüften
als Vogelschwarm gen Süden.
Carmen Hoyer, 25.09.2020
45 BÄR UND KASPERINE II (Lustige Tragödie in fünf Akten)
1. Akt: Im Cafégarten
Kasperine: Am kleinen Tisch vergnügt mit einem Cappuccino sitzend
Bär: GROSSER AUFTRITT mit mürrischem Blick schnurstracks auf die andere Ecke zusteuernd
2. Akt: Im Cafégarten
Kasperine, entzückt über das unerwartete Wiedersehen fragend:
„Bist du alleine?“
Bär, unwirsch antwortend: „Ja, aber nicht mehr lange.“
3. Akt: Im
Cafégarten
Kasperine, sich vorsichtig vom Stuhl erhebend, die andere Ecke im Visier:
„Darf ich mich zu dir setzen?“
Bär, auffallend erregt blubbernd:
„Nein, nein, nein, nein.“
4. Akt: Im
Cafégarten
Kasperine, traurig drein lächelnd:
„Wir sehen uns bestimmt ein andermal wieder“
Bär, ganz zappelig nuschelnd:
„Ja, ja, ja, ja.“
5. Akt: Im Café
Kasperine, „Für kleine Mädchen“, anschließend noch einmal verstohlen in den Cafégarten lukend:
Bär: Weg, verschwunden.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so üben sie noch heute.
Carmen Hoyer, 22.09.2020
44 MAGISCHE BRILLE
Ein Ausflug auf vier Rädern,
statt, wie gewohnt auf zweien,
soll ihre Sinne trösten,
die Alltags Weltschmerz leiden.
Die Sonne leuchtet herrlich,
ein Kleid und off’ne Schuh,
das Auto glänzt heroisch,
die Brille passt dazu.
Den Herrn vom Bahnhof abgeholt,
nun fahr’n sie auf Chausseen
durch brandenburgisch weites Land
nebst Wiesen und Alleen.
Ein Dörfchen hier und dort ein Ort,
dem folgen viele Felder
mit Mais, soweit das Auge reicht
und auch danach noch weiter.
Jetzt naht ein Forst in Ebenmaß,
das Holz in Reih‘ und Glied,
doch durch das grüne Frontscheib’glas
es wie ein Wald aussieht.
Und nochmal Mais, Forst, Ackerland,
dann ist das Ziel in Sicht:
Der Carlsburg hüg’lig Bergeshöh‘
verlockt zum Wildgericht.
Genuss für Gaumen, Nas‘ und Aug‘
in alter Tradition,
Spazieren hin zum Wasserrad
in Cöthener Mission.
Am Abend folgt das Resümeé
nach weit’rer Kaffeefahrt:
Ein wahrer Ort voller Magie
lebt, wo Natur bewahrt.
Carmen Hoyer, 13.09.2020
43 STEINREICH
Samtiges Bordeaux der Rosenblüten,
feuriges Karmin der Gerbera zwischen schwarzem Auge und orangen Blütenspitzen,
fedriges Lila der kleinen Asternsterne,
gebunden in dunklem Blattgrün.
Gerettet vor Trostlosigkeit
in Plastikfolie und wasserlosen Eimern,
vor hurenhafter Anbietung im Eingangsbereich,
als Kaufstimulator für die Kundschaft.
Die Dagebliebenen verdammt
zum welkenden Wegwerfprodukt,
achtlos der Mühen des Erblühens,
ignoriert der Wert des Hegens.
Statt Blumen immer mehr Schotter,
wie in den Gärten so in den Herzen:
Kalte Fassaden vor heißer Luft,
steinreicher Globus vor blühender Erde.
Carmen Hoyer, 08.09.2020
42 HAIKU 14
Graue Wolkenkissen vor eisblauer Ferne
Zwei Flugenten nach dort, ein Schwarm Stieglitze nach hier
Der Haustiger schleckt sich genüsslich das Fell.
Carmen Hoyer, 07.09.2020
41 HAIKU 13
Freundliches Himmelsblau und zärtliches Sonnengelb
Kühle Luft verkündet den Vorherbst
Die Hauskatze tollt fröhlich durch den Garten.
Carmen Hoyer, 06.09.2020
40 HAIKU 12
Offenes Fenster mit spärlichem Morgenlicht
Der Vorgarten überschirmt vom prächtigen Blätterdach
Das pralle Rauschen des Regens mit Meise, leise, aufgeregt.
Carmen Hoyer, 05.09.2020
39 HAIKU 11
Grauverhangen bis zum milchigen Horizont
Schimmernde Perlen in den Kiefernnadeln
Kleine Wasserlachen vor dem Gedöns der Straße.
Carmen Hoyer, 04.09.2020
38 HAIKU 10
Wolkenloser Himmel mit pastelligem Horizont
Kiefer und Erlen erhaben in dunklem Grün
Ein Stieglitz grüßt zwitschern von oben.
Carmen Hoyer, 03.09.2020
37 HAIKU 9
Der blaue Himmel mit weißer Zuckerwatte
Auf Tisch und Stuhl ein wässriges Tropfenmuster
Unterm Nussbaum das Kuscheln des Rasenteppichs.
Carmen Hoyer, 02.09.2020
36 HAIKU 8
Gardinen aus Regen vor dem Fenster
Trommelnde Tropfen auf der Terrasse
Platzende Blasen und spiegelnde Blätter.
Carmen Hoyer, 01.09.2020
35 HAIKU 7
Die Finger der Kastanien winken freundlich herüber
Das Sonnenlicht schleicht sich zwinkernd hindurch
Das Rauschen der Menschen Fahrt verrauscht mit dem Wind.
Carmen Hoyer 31.08.2020
34 HAIKU 6
Tiefe Luft von den letzten Kastanienbäumen
Meise und Taube zärtlich im Geäst
In der Ferne fremde Geschäftigkeit.
Carmen Hoyer, 30.08.2020
33 HAIKU 5
Regloses Blätterdach im weichen Licht
Zwei Krähen im Duett
Kauz und Sperling irgendwo vereinzelt.
Carmen Hoyer, 29.08.2020
32 HAIKU 4
Windstilles Morgengrauen
Das einsame Krächzen einer Krähe
Wird vom heranrauschenden Automobil verschluckt.
Carmen Hoyer, 28.08.2020
31 HAIKU 3
Im Spiegel das Wogen des grünen Blätterkleids
Durch das offene Fenster das Rauschen des Windes
Zwischen dem flirrenden Grün das neue Morgenlicht.
Carmen Hoyer, 27.08.2020
30 HAIKU 2
Der Morgen erwacht
Die Kettensäge schwingt in brünstigem Bariton
Der Wind und die Straße bilden den Klangteppich.
Carmen Hoyer, 26.08.2020
29 HAIKU 1
Der Wind rauscht durch die Blätter
Ganz leise erst, dann lauter
Dahinter zischt wabernd die ferne Trasse.
Carmen Hoyer, 26.08.2020
28 SCHILDOWER GÄRTEN
Der Traum vom Haus im grünen Land
mit Auto, Kind und Hund,
fernab vom ew‘gen Großstadtgrau
ist jedermann bekannt.
Wo Schrebergärten einst zu seh‘n
mit Blumen, Obstbaum, Wiese,
soll’n nun die Traumhäuser entsteh’n,
beschließt der Rat, der hiesige.
Schon weicht das Grün dem schnellen Schnitt.
Die Kettensäge kreischt,
der Bagger brummt und räumt den Rest
von Blatt und totem Holz.
Und eins, zwei, drei, die Straße kommt
mit Strom und Wasser quer,
Die ersten Fundamente dort
und hier der Wände vier,
das Dach, der Zaun noch nagelneu.
Nun wächst gleich nebenan
für Vater, Mutter und auch Kind
ein Domizil heran.
Mit Pflasterstein und Schotterung
gelingt die Perfektion:
Kein Maulwurf, noch ein Löwenzahn
durchdringt die Landschaft nun.
So glitzert jetzt statt paradiesisch Grün
im Mühlenbecker Land
ein schickes weißes Häusermeer,
doch ohne Badestrand.
Carmen Hoyer, 25.08.2020
27 URGESTEIN
Sollten wir stark sein
oder dürfen wir schwächeln?
Dürfen wir weilen
oder sollten wir eilen?
Der Wald wird uns heilen.
Sollten wir klein erschein'n
oder dürfen wir groß sein?
Dürfen wir lieben
oder sollten wir hassen?
Der Berg wird uns lassen.
Sollten wir uns ängstigen
oder dürfen wir uns ermutigen?
Sollten wir zweifeln
oder dürfen wir vertrauen?
Der Mond wird uns erbauen.
Sollten wir hadern
oder dürfen wir wagen?
Sollten wir ignorieren
oder dürfen wir hinterfragen?
Die Erde wird es uns sagen.
Dürfen wir träumen
oder sollten wir nichts verpassen?
Sollten wir verzichten
oder dürfen wir auch naschen?
Das Schermützel* wird uns überraschen.
Sollten wir wissen
oder dürfen wir fühlen?
Sollten wir harren
oder dürfen wir gestalten?
Irgend' Urgestein wird immer walten.
*Schermützel: großmütiges Fabelwesen im Schermützelsee
Carmen Hoyer, 24.07.2020
26 WEITSICHTBLICK
Ein Hiesiger empfiehlt mir,
beim Plausch im Schlosspark Buckow,
den Weitsichtblick von oben,
die Märkisch' Schweiz als Motto.
Bei Dahmsdorf, meint er freudig,
hätt' Pferde er zu steh'n,
vor allem seine Weißen
liebt er gern anzuseh'n.
Daneben noch ein Stückchen
läg' unweit gleich die Stell',
die staunen würd' mich lassen,
zur Aussicht vom Rondell.
So ist erweckt die Neugier.
Die Landschaft und die Seen
erkund' ich mit dem Fahrrad
bis zu der Hügel Höh'n.
Zunächst tritt es sich fröhlich
und leicht in die Pedal'n.
Waldsieversdorf im Rücken,
das Wetter für Sandal'n.
Doch kaum erscheint das Ortsschild
vom Nachbardorf im Blick,
schon stuckert's derart heftig,
dass Sehnsucht schreit: Zurück!
Nicht Stuckern, Scheppern, Poltern
alleine verdriest's Gemüt,
die Straße windet's aufwärts:
Wer weiß, was mir noch blüht?
Jetzt gibt's nur noch den ersten
von derer Gänge sieben,
der Schweiß mir auf der Stirn steht,
nun hilft nur noch das Schieben.
Und endlich wird es leiser,
das Kopfsteinpflaster weicht.
Doch, was ist das? Ich sinke:
Ein Sandweg, hell und seicht.
Da plötzlich spür' ich Hoffnung.
Am Horizont ein Zeichen:
Die weißen Pferde leuchten,
mein' Trübsal zu verscheuchen.
Nur ein paar Schritte höher:
Hier tut sich auf der Blick
mit ringsum neuen Hügeln -
fahr' weiter! Welch ein Glück!
Carmen Hoyer, 23.07.2020
25 ZEHN-STERNE-HOTEL
Sonnenkitzel auf der Nas'
als Weckruf solitär,
recken, strecken wie ein Bass
im Riesenbett für längs und quer:
Ein Luxusstern hier, bitte sehr.
Sauerstoff und frisch' Natur
nur einen Türschlag weit.
Musik stets live und only pur
mit Vogelstimmenherrlichkeit:
Gibt's Sterne gleich zu zweit.
Im Anschluss dann, vor'm Duschen nass,
die erste Wellness, ohne Scherz!
Mit Barfußlaufen durch das Gras,
massiert die Sohlen, so das Herz:
Folgt vierter Stern zur Terz.
Der Rücken ist nun dran, herje,
die Schaukel hängt bereit,
was tut der immer, ach, so weh,
jetzt schwingt der Körper eng und weit:
Fünf Sterne auf die Seit'.
Das Frühstück gibt's in der Idyll',
Terrasse unter'm Apfelbaum,
daneben Rosenblütenfüll',
hier sitzt's sich wie in einem Traum:
Sechs Sterne! Hoch den Daum'n!
Mit Mirabellen und Tomaten,
Zucchinis, Kräutern, später Nüssen,
gibt's gratis eig'ne Biosorten,
die jeden Gaumen zärtlich küssen:
Stern Sieben ist zu hissen!
Für Geigerin ist's oftmals schwer,
Quartier für'n Urlaub ordern.
Der Töne Krach verprellt zu sehr,
doch hier kann Violine lodern:
Acht Sterne sind zu fordern!
Und wiederum, wenn aus das Lied,
das Instrument entlasten,
es Urlauberin zum Fahrrad zieht,
um nicht nur geistig nicht zu rasten:
Neun Sterne sind im Kasten!
Am Ende, wenn sie froh und matt,
ihr Woch'werk schaut zufrieden,
die Seele ruhig, der Körper satt,
so wär' sie doch noch gern geblieben:
Zehn Sterne für die Lieben,
die einluden zu solch' Genies
in ihren kleinen Bungala,
zu wohnen ganz ohne Verdries,
wie einst die Kön'gin von Saba:
Im Zehn-Sterne-Paradies.
Carmen Hoyer, 21.07.2020
24 SOMMERABEND
Ein Stuhl - ein weiches Kissen,
ein Gläschen Wein - die Bank für's Bein,
ein blauer Stift - ein Blatt Papier,
unter'm Caport - hinter'm Spalier.
Ein Brummen - ein Summen,
ein Schackern - ein Zwitschern,
ein Säuseln - ein Rauschen,
jed's einzeln zu erlauschen.
Dort steh'n sie - die Alten,
skurrile Gestalten
voll bunter Apfelwangen
ganz üppig behangen:
In Gemeinschaft - noch erhalten,
trotzend den Gewalten,
Stille bewendend,
Ruhe verspendend.
Der Himmel - dort oben,
die Sonne - zum Loben.
Azurblau - schier betörend,
Warmlicht - sanft errötend.
Die Kühle kriecht herbei,
der Wein schmeckt einerlei,
ein Zug verrauscht in der Ferne,
bald leuchten nur noch die Sterne.
Carmen Hoyer, 20.07.2020
23 SCHWÜLE
Drückende Schwüle über der Streuobstwiese:
Das saftige Grün in Baum und Gras beruhigt trotz hitziger Lüfte.
Gegenüber der knorrigen Apfelgehölze ein Scherenzaun aus Holz,
durch den die goldenen Blumensterne auf langen Stielen willkommen heißen.
Drückende Schwüle über der Streuobstwiese:
Kaffeezeit bei Freunden mit freudigem Wiederseh'n zwischen Rosenblüten im Garten.
Ja, es geht allen gut, ganz augenscheinlich, auch,
wenn in der Ferne bereits ein dumpfes Grollen zu hören ist.
Aber es scheint doch noch sehr weit entfernt und vielleicht würde man gar nicht nass.
Drückende Schwüle über der Streuobstwiese:
Während der Himmel sich zunehmend verdunkelt, verabschiedet man sich hoffnungsvoll.
Doch schon beim ersten Rundenkreisen überrascht der Regen die Davonfahrenden,
so er den Dagebliebenen noch eine kurze Frist im Trockenen vergönnt.
Drückende Schwüle über der Streuobstwiese:
Ein frischer Wind zieht auf und meint die Blätter freundlich säuseln.
Dann kracht's und poltert's, Blitz und Donner!
Der Himmel öffnet die Schleusen, weint ein Meer von Tränen und spült hinweg allen Kummer.
Die Natur atmet auf.
Carmen Hoyer, 19.07.2020
22 ALTE SORTEN
Hänschen klein, ging allein
in den Supermarkt hinein,
Maske auf, Korb geholt,
ins Geschäft gesohlt:
Blumenkohl, ganz makellos
mit Tomaten, gleichsam groß,
Fleischkonserv‘: Falsche Mark‘,
kauft er eben "Quark".
Lieb‘ Mama, ich bin da,
ruft der Hans mit Tralala:
Schau mal her, ist nicht fair,
denn dein Geld ist leer.
I-Pad, I-Phon, E-Mobile,
Beamer, Scooter, Streamerdeal;
alles, was dein und mein
Herz so sehr begehrt.
Hans, was fällt dir bloß ein?
Soll das jetzt ein Scherz wohl sein?
Speisen wir jetzt und hier
die Gerät‘ dafür?
Aber Mama, nicht doch, nein!
Hör‘ doch ganz schnell auf zu wein‘!
Kohlkopf weiß, Rispen rot,
war’n im Angebot.
Hansilein, das ist fein,
gleich kommt’s in den Topf hinein.
Deck schon mal ein, den Tisch,
für das Festmahl, frisch.
Doch, was ist das, welch ein Graus,
will nicht garen heut‘ im Haus!
Alles fad, nichts verführt,
riecht, wie unverrührt.
Lieb‘ Mama, schau mal her,
nimm doch einfach Würze mehr:
Pfeffer, Salz, Paprika,
edelsüß und scharf.
Alle Leute wissen schlicht,
dass Geschmack sich rechnet nicht.
Darum gibt’s nährstofflos
das Hybrid-Gemobst.
Hänschen klein, Kinde mein,
wirst doch nicht von Sinnen sein?
Fieberst laut, Sand gebaut,
Zukunft unvertraut:
Was soll’n wir denn auf der Welt,
wenn wir essen nur noch Geld?
Darum fleh‘ ich zu dir,
komm zurück zu mir.
Lieb‘ Mama, ich bin doch
heute wie auch morgen noch
auf der Welt, wie’s gefällt,
Hauptsach‘ ist das Geld.
Willst du das denn nicht versteh’n:
Billig, Geizig, das ist schön,
Überfluss und Verdruss,
jeder mal geh’n muss.
Hänschen klein, lass das sein!
Geht’s in deinen Kopf nicht rein?
Alte Sort‘ statt Hybrid
hält gesund und fit.
Bring den Krimskrams schnell zurück
und versuch‘ erneut dein Glück.
Geh‘ zu fuß, sing‘ ein Lied,
hol‘ ins Haus die Lieb‘.
Lieb‘ Mama, ich bin da,
denk‘ an dich, wie’s früher war,
als du noch bukst und brietst.
In der Küche riechts:
Steigt ein Duft die Nas‘ empor,
gleich betörend wie Amor.
Klingelts jetzt an der Tür:
Hoff‘, die Speis‘ verführ‘.
Carmen Hoyer, 28.06.2020
21 REALES PARADIES
Morgens früh, die Sonne lacht
und blinzelt durch ein Blätterdach,
erweckt ein Glitzern auf dem Glas,
das spiegelt sich im Schlafgemach
und kitzelt auf der Nas‘.
Wach auf, steh auf, es ist schon hell:
Wo sind die Puschen, wo der Hund?
Die Katze maunzt schon vor der Tür,
doch Blütenwäsche leuchtet bunt
und hält gefang’n den Has‘.
Mit einem Ruck, so wird es geh’n,
der Kuschelzone zu entkommen.
Nur Mut und Schwung und Aufersteh’n!
Herje, noch ganz benommen
ich’s Handy nahm und las.
Die Tür weit auf, die Katz‘ hinaus,
den Hund geschnappt, zur Küch‘ getappt,
den Kühlschrank freudig inspiziert,
die Zipfel von der Wurst gekappt
für’s richt’ge Futtermaß.
Jetzt Wasser für den Tee gebrüht,
das Brötchen in den Ofenschlund,
Teller, Tasse und Besteck,
Butter, Konfitür‘ Holund‘
dazu ein Ziegenkas‘.
Der Blick zum Garten durch das Haus,
da seh‘ ich’s schon: Das Paradies!
Schon wächst die Vorfreud‘ ganz famos
auf‘s Frühstück in der grünen Wies‘,
die noch ein bisschen nass.
Der Tisch gedeckt mit Webekunst
und allem, was die Sinn‘ begehr’n,
inmitten Rosenstrauch und Busch
sich Nussbaumringe jähr’n,
im weichen Teppichgras.
Nun ist’s soweit: Der Brötchenduft
entfleucht dem Ofen und Teein,
gemixt mit Kirscharoma und bekanntem
Apfel, krönt den Garten Eden
nebst Hund und Katz‘ und Spaß.
Doch plötzlich, was zum Teufel noch,
schleicht sich in dies‘ Gemenge?
Es kriecht herbei wie eine Schlange:
Schon riecht’s vom Nachbarfeld recht strenge:
Ich atme stinkend Gas.
Da dreht auf einmal sich der Wind,
die Schwaden schwinden fort.
Die Elli schleckt am Tellerrand,
mein Strolch sitzt lieb und ruhig am Ort
und alles ist zupass.
Carmen Hoyer, 18.06.2020
20 INNEN UND AUSSEN
Es schreit, es kreischt, es dröhnt, es brüllt.
Es kracht, es knallt, es höhnt, es schilt.
Der Lärm, ein rasend Monoton.
Geräuschepegel, bitt’rer Lohn
für alles, was man Seele nennt
und schmerzlich die Signale trennt.
Im Inner‘n mitgenommen.
Beschallung oben links wie unten,
rechts daneben und auch hinten.
Laster brummen, Busse summen,
Biker tuckern, Autos muckern,
Flieger kollern, Hymer bollern,
Hauptsach‘, Mensch hat was zum Rollern.
Äußerlich ganz unbenommen.
Auf den Straßen, in den Höfen
Kehrmaschinen, Rasenmäher,
an den Grenzen, in den Häfen
Laubverpuster, Abfallleerer,
Martinshorn und Warnsirenen,
Handy’s schnarren, Scooter queren
haaresbreit am ich vorbei.
Nichts wie weg hier, Fahrrad treu,
ab nach Hause, weit nach draußen
in den Forst zu dir und mir:
Atmen, Stille, Zeit und Raum,
Muse für den liebsten Traum,
zweisam schweigend bei einand‘,
Frieden innen und im Land.
Carmen Hoyer, 11.06.2020
19 ONLINE, OFFLINE
Ein Klick, ein Wisch, die Spannung steigt,
schon leuchtet hell die erste Schrift,
geschwind vier Ziffern eingespeist,
ab rauscht der virtuelle Lift.
Online, offline, weites Band,
wer sind die Modernsten im ganzen Land?
Ist’s Facebook oder Instagram,
sind’s Google, Twitter, Alibabe,
die heute zeigen ihr Programm,
vielleicht auch Amazon-Portale?
Online, offline, weites Band,
wer sind die Modernsten im ganzen Land?
Mit Spiele-Stores im Internet,
mit Warenhäusern-Kauf-Plattformen,
mit Teleshopping sehr adrett
setzt’s World-Wide-Web ganz neue Normen.
Online, offline, wie’s gefällt,
wer sind die Schönsten auf der Welt?
Schon sind’s nicht mehr nur Raritäten,
die schwer erhältlich noch zuvor,
auch Billigmasse an Diäten,
bringts virtuelle Netz hervor.
Online, offline, wie’s gefällt,
wer sind die Schönsten auf der Welt?
Zu Haus‘ im Dorf und in der Stadt,
die kleinen Läden stehen leer,
kein Mensch noch einen Blick mehr hat,
fürs finstere Schaufenstermeer.
Online, offline, weites Band,
wer sind die Coolsten im ganzen Land?
Ob Würstchen, Mal-Block oder Kuchen,
für jedes einen Pappkarton
aus frisch geerntet dicken Buchen,
versendet prompt mit Porto-Bon.
Online, offline, weites Band,
wer sind die Coolsten im ganzen Land?
Ein Virus mischt ganz plötzlich auf,
nicht online, sondern offline pur!
Ein Hoffen keimt im schnellen Lauf
auf Leben in und mit Natur.
Online, offline, wie’s gefällt,
wer sind die Stärksten auf der Welt?
Doch nicht zu kleinen Zärtlichkeiten
drängt’s notgebremsten Wirtschaftswahn
mit digitalen Glückseligkeiten,
bis auf Grund läuft der humane Kahn.
Online, offline, wie’s gefällt,
wer sind die Stärksten auf dieser Welt?
Carmen Hoyer, 29.05.2020
18 FANTASIE UND WIRKLICHKEIT
Es braut sich heuer was zusammen
im großen klaren Glasballon
aus Zitronen-Brause-Tabletten
in Wasser, Öl und vielen Farben
zu fesselnder Fasson.
Zuerst ein Säuseln noch recht leise,
ein Blubbern schwillt ganz sanft nach droben.
Schon kann man sehen reihenweise
die Bläschen-Perlenketten-Reise
ersteigend steil nach oben.
Doch dorten wird bereits gerangelt,
der Aufstieg wird hier bald zur Hatz,
die Reaktion wird immer schneller,
zieht all die Kleinen in den Keller,
manch‘ große Blase platzt.
Jetzt fängt es richtig an zu brodeln,
fast Lava-Lampen-Strömen gleich
beginnt die Wallung nun zu modeln
in rasend schäumend vielen Kugeln
den Sog ins traumhaft‘ Reich.
Es wogt hinauf und stürzt nach unten:
Ist’s Wasser, Brause oder Öl?
Was treibt die Massen zu den bunten
Turbulenzen und den Lunten
in all dem wabernd‘ Gel?
Gefräßig walkt’s im dichten Schaum,
allmählich wird die Suppe trüb‘:
Dahin entschwindet jener Traum.
Zerflossen breit im ganzen Raum
ein milchig‘ Nebel blieb.
Carmen Hoyer, 24.05.2020
17 KOKON, KOKON
Es ist die Zeit des Sonnenscheins,
des frischen Grüns, der Blütenkerzen:
Hinaus auf‘s Land, in Wald und Flur!
Verdrängt die Sorgen in den Herzen!
Kokon, Kokon.
So fahren sie erwartungsvoll,
geschützt in Blech und Glas und Plast:
Die kleinsten Zellen der Gesellschaft
so toll und frei und ohne Hast.
Kokon, Kokon.
Grad‘ aus, dann rechts und wieder links
gelingt’s, dem Chaos zu entkommen,
schon ist die Autobahn in Sicht,
als Stau ihnen die Vorfreude genommen.
Kokon, Kokon.
Ganz plötzlich ist sie wieder da,
die Wut, die Angst, Melancholie;
seit Monaten schon lahmt das Land,
erstarrt in weiser Lethargie.
Kokon, Kokon.
Warum, weshalb, wieso, woher
kam dieses Virus über sie
und wüted über’n Erdball schwer,
bremst alle aus wie nie.
Kokon, Kokon.
Es hieß doch immer laut und grell:
Viel Wachstum, Wohlstand und noch mehr,
höher, weiter und zwar schnell,
egal, ob Wald und Meere leer.
Kokon, Kokon.
Grenzen dicht, Regale leer,
Konzert und Schule über Netz,
kein Fußballspiel, kein Flugverkehr,
doch Online-Handel um so mehr.
Kokon, Kokon.
Doch schon ruft’s Zweifler auf den Plan,
ob’s wirklich diesen Virus gibt,
der Menschen aus der Lebensbahn
hinauswirft oder nur so wirkt?
Kokon, Kokon.
Masken runter, Masken rauf,
wann zeigt das Virus sein Gesicht
für den, der es verhindert
oder dem, der’s ignoriert?
Kokon, Kokon.
Währenddessen ungeachtet
Pflanz‘ und Tier und Luft und Land
erholen sich ganz unerwartet
von des Menschen schöpfend Hand.
Kokon, Kokon.
Sogar ein paar der Erdenbürger
hoffen still oder zu zweit,
dass manch‘ neue Abstandsregel
doch so bliebe alle Zeit.
Kokon, Kokon.
Indessen sind sie angekommen,
entflieh’n dem faradayschen Käfig
und strömen fast noch wie benommen
in’s Café, doch kleiner zahlenmäßig.
Kokon, Kokon.
Im Friedwald an der großen Eiche
gedenken sie der treuen Ahnen,
die mit ihrem verblich’nem Geiste
zu Liebe und Zusammenhalt mahnen.
Kokon, Kokon.
Dann fahren sie berauscht vom Frühling
mit off’nem Sinn und neuem Mut
zurück zum großen Autobahnring
und warten: Alles wird gut.
Kokon, Kokon.
Carmen Hoyer, 18.05.2020
16 MEIN LIEBSTER FASELBOCK
Es ist einmal ein Faselbock,
der bockt von früh bis spät,
und wenn er mal zur Ruhe geht,
funkt er mit and'rem Gerät.
Du, mein liebster Faselbock,
was schaust' so traurig drein,
die Hörner und das Faselg'rät
sind eh schon balde mein.
Drum pack' den Faselbock ich nun
mit Händen und mit Herz,
an Hörnern und dem Hinterteil
und fas'le einen Scherz.
Carmen Hoyer, 14.08.2019
15 DEZEMBER
Blauschwarze Nacht
draußen. Und drinnen
Tannengrün und Lichterglanz.
Roter Wachs, tropfend
auf ein geöffnetes Buch
mit wohlig riechenden Lettern.
Papierseiten, bedruckt
voller verheißungsvoller Noten,
erklingend in friedlichen Weisen.
Lebkuchenfrauen
und Schokoladenmänner
und Wichtelkinder.
Ein Haus mit Ofen.
Familie.
Carmen Hoyer, 22.11.2018
14 NOVEMBER
Taubenblaue Schwere
Am Horizont ein Vanillestreif
Silhouettenhafter Wald
Mit Sonne
Als weißgelber Scheinwerfer
Blattloser Strauch
Ehemals Geborgenheit
Verfallender Schuppen
Leuchtende Ferne
Schattige Ruhe
Vor dem Inferno
Carmen Hoyer, 21.11.2018
13 ENDLICH
Endlich ist dieser Sommer vorbei.
Wie eine Feuerbrunst walzte die dröhnende Hitze alles Saftige nieder.
Gewitter nur in Form von Krebsgeschwüren.
Erst die Altweiber ließen endlich wieder ein junges Glück mit prächtigem Schleier zu.
Mein Haltgriff ein in die Jahre gekommenes Handy.
Du. Du verlorst deine Familie - ich mein Land.
Kunstvoll versuchst du, aus zwei gebrauchten
Stühlen
ein bequemes Sofa zu zimmern.
Stur male ich mir aus, dein neuer Hafen zu
sein,
in welchem noch immer die Trostlosigkeit der Vorwende ankert.
Endlich ist dieser Sommer vorbei.
Ich freue mich auf den Herbst.
Ich freue mich auf dich.
So sehr.
Carmen Hoyer, 28.09.2018
12 INSEL
Du wünschst dir die Insel?
Tu‘ das nicht!
Dich ängstigt die Insel?
Sei froh!
Du beklatschst die vielen Baustellen?
Zügel dich!
Du verfluchst die eine Baustelle?
Sei Glücklich!
Du scheltest mich unbelehrbar?
Liebe mich.
Carmen Hoyer, 11.05.2018
11 WUNDERVOLLE GEDANKEN
Wundervolle Gedanken,
mein Sehnen ist dem deinen gleich.
Das Herz fühlt den Weg der Liebe
durch Ödnis und Beliebigkeit.
Spiegelungen in allen Farben
tragen uns, dich und mich,
eng umschlungen auf weiten Wellen
vom Heute in das Morgen.
Carmen Hoyer, 10.05.2018
10 VERNETZT
Es war einmal ein Mann,
der hatte g’rad nichts an.
Dann sah er in den Spiegel,
nahm schnell zur Hand den Tiegel
Und hielt davor ihn dann.
Damit die Traumfrau, welche
er vornimmt sich in Bälche
zu treffen ganz manierlich,
angeblich unwillkürlich,
nichts vorher sehen kann.
Er chattet, liest und postet,
kurzzeitlich er auch prostet,
verbringt mit ihr fast jeden Tag
grad so, wie er es gerne mag,
gedanklich als ihr Mann.
Er wählt nun für den großen Tag,
der hoffentlich bald kommen mag,
ein Hemd, die Hose und Jackett,
um auszusehen richtig nett,
im Internet per Tan.
Welch Segen ist dies große Netz;
es liefert alles hier und jetzt.
Nichts muss er außer Haus besorgen,
selbst rote Blumen sind zu borgen.
Erspart bleibt jeder Run.
Doch um die Liebste live zu seh’n,
müsst‘ er nun auf die Straße geh’n.
Bloss wie nochmal um Gottes Wollen?
Sein Schlüssel für die Tür verschollen!
Drum knipst er’s Fernseh’n wieder an.
Carmen Hoyer, 06.04.2018
9 BEDROHTER FRIEDEN
Tyrannen wähnen sich oft irrtümlich als Herrscher:
Dabei sind sie nur eine verunglückte Posse der Historie
Herren fühlen sich oft irrtümlich als Könige:
Dabei sind sie nur willenlose Sklaven ihrer Triebe
Machos glauben sich oft irrtümlich als Generäle:
Dabei sind sie nur scheiternde Narren ohne Liebe
Gläubige dünken sich oft irrtümlich als Propheten:
Dabei sind sie nur blinde Passagiere ohne Papiere
Carmen Hoyer, 04.01.2018
8 JUGEND
Die Jugend ist wie ein unbeschriebenes Blatt ihrer inneren Seelen.
Erst im Alter widerspiegeln sich diese in ihrem Äußeren.
Und manchmal ist vor zu viel Äußerem der gute Kern kaum noch sichtbar.
Dann hilft nur lernen, um das wertvolle Innere wieder zu finden.
Carmen Hoyer, 15.10.2017
7 ICH BIN STILL
Ich bin still,
doch voller Bitterkeit mein Herz,
dein inneres Lachen von so weit oben
erschlägt mich wie ein schwerer Stein.
Du bist ruhig,
doch voller Schwermut dein Herz,
meine äußere Leichtigkeit von so weit weg
erdrückt dich wie eine Lawine aus Daunenfedern.
Unserer beider Stärke
ist zugleich unserer beider Schwäche
Himmel und Hölle auf engstem Raum.
Ohne Liebe ein Albtraum.
Carmen Hoyer, 18.08.2017
6 REGEN
Regen, immer nur Regen,
dieser Sommer weint Blasen auf die Straßen
Keller flutend
Dächer berstend
Bäche strömend
Bäume peitschend
Bilder, immer wieder Bilder
virtuell pompös
real verwirrend
mal zuckersüß und verführerisch
dann alles gallisch bitter ätzend
Im Herzen immer nur du
die Gedanken schreien durcheinander
manche paradiesisch
andere fratzenhaft
im Augenblick zärtlich
Sekunden später höllisch
Auf einmal legt sich der Sturm
Das Wasser fließt friedlich
die Sonne lacht am Horizont
die Liebe bleibt
Carmen Hoyer, 24.07.2017
5 BÄR UND KASPERINE I - (Traurige Komödie in vier Akten)
1. Akt: Küche:
Bär: "Nein, ICH will mit dir!"
Kasperine: "Nein, ICH will mit dir!"
2. Akt - Himmel-Hoch-Bett:
Bär - oben: Siehst du - ein Meter zehn Sprungkraft aus dem Stand!"
Kasperine - unten: "Wow!"
3. Akt - Himmel-Hoch-Bett:
Kasperine: Auf der heran geschleppten Leiter endlich oben.
Bär: Weg, verschwunden.
4. Akt - Küche:
Kasperine - in der Tür stehend: "Wieso bist du denn schon wieder unten?"
Bär - auf dem Küchenstuhl thronend: "Kennen wir uns?"
Und wenn sie nicht gestorben sind, so üben sie noch heute…
Carmen Hoyer, Januar 2016
4 DU FRIERST
Du frierst.
Mit Flüssigprozenten versuchst du,
dich aufzutauen.
Meine Wärme macht dich lebhaft,
aber noch bist du nicht sicher,
ob du das Feuer zähmen kannst.
Aus Ungewissheit möchtest du es manchmal löschen.
Ich glühe.
Mit Theater versuche ich
herunterzufahren.
Deine Kühle gibt mir Gelassenheit,
aber noch überwiegt die Angst,
vielleicht in Kälte zu erstarren.
Aus Unsicherheit möchte ich manchmal entkommen.
Humor zaubert Lichter aus den Steinen im Weg.
Zweimal über fünfzig machen ihn spannend
und überhaupt erst begehbar.
Froh,
dass du ihn mir zeigst.
Carmen Hoyer, 05.12.2015
3 ARCHIBALD ODER "DENN GANZ OBEN IST DER APPETIT BESONDERS GROSS"
Und hier ist Archibald mit der kleinen weißen Blume, der beschlossen hat,
sein Glück selbst in die Hand zu nehmen.
Der Enge und Dunkelheit seiner Behausung, die eher einem Erdloch ähnelt, will er den Rücken kehren, um den höchstmöglichen Platz an der Sonne zu erklimmen, wovon er schon immer geträumt
hat.
Zwar ist es unter seinesgleichen immer wohlig und kuschelig, aber die Mahnungen seiner hoppelnden Brüder und Schwestern, nur zusammen seien sie den räuberischen Angriffen aus heiterem Himmel
gewachsen, dröhnen inzwischen tinnitusartig in seinen langen Ohren.
Da er sehr gut springen kann und um die eine oder andere Klippe einen kurzen Haken schlägt, kommt er zunächst ganz gut voran. Doch je höher er aufsteigt, desto mehr Skelettteile behindern seinen
Weg. Aber endlich ist er ganz oben bei ihnen:
Den Majestäten mit dem Privileg, sich fast ausschließlich fliegend fortzubewegen,
den Mächtigen, deren scharfem Blick kein einziges Hasenherz entgeht!
Erschöpft, jedoch voller Begeisterung ob der grandiosen Aussicht erfragt er bei den gefiederten Königen der Lüfte, was es denn Essbares bei ihnen gäbe -
denn ganz oben ist der Appetit besonders groß!
Carmen Hoyer, 25.02.2015, vertont als Hörspielfabel
2 BRUNO ODER DIE GERISSENSTEN SIND AUCH AM TAGE GRAU
Und wieder wurde eine gefunden,
sorgfältig ausgeweidet, in spärlichem Lampenlicht liegend,
als Symbol machtloser Unterlegenheit,
früher vielleicht einmal, was man als scharfes kleines Mäuschen benannt hätte?
Doch vom Täter wie immer keine Spur.
Herausberstendes Polstergewölle,
tiefe Kratzspuren auf allen Möbeln als Zeichen der Verachtung zivilisierten Verhaltens,
abgetrennte Körperteile,
früher vielleicht einmal, was man als flotten Nachtschwärmer bezeichnet hätte?
Zwei gelbe Lichtblitze, anschließend abermals Finsternis.
In der Nachbarschaft wieder und wieder
geraubt, gestohlen, gemordet.
Da plötzlich taucht er auf:
In elegantem Grau, mit geschmeidigem Gang, dem charismatischen Blick,
auf leisen Ledersohlen und der Dreistigkeit, einen echten Pelz zu tragen.
Und so betört und beschwichtigt er die erhitzten Gemüter.
Und wie immer sind schließlich wieder alle von ihm begeistert:
Bruno, der Starke,
vom Geschlecht der Britisch Kurzhaar -
denn die Gerissensten sind auch am Tage grau!
Carmen Hoyer, 15.02.2015, vertont als Hörspielfabel
01 IN DEN SOMMER
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir fort von hier.
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir von mir zu dir:
Über Hügel, Auen, Wiesen, Felder,
grünes weites Land.
In den Dünen vor dem Meer
landen wir im weichen Sand.
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir fort von hier.
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir von mir zu dir:
Über Flüsse, Täler, Städte, Dörfer,
gleiten mit dem Fön.
Zwischen Edelweiß und Tann'
landen wir auf Berges Höh'n.
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir fort von hier.
In den Sommer fliegen wir,
fliegen wir von mir zu dir:
Bist du heut' auch hinter'm Horizont
und findest dort dein Glück,
so denk' ich noch gern an dich,
doch flieg' ich zu mir zurück.
Carmen Hoyer, 2014, als Lied unter Musik zu finden