Können wir mit der nicht möglichen Division durch Null mathematisch beweisen, dass es das „Nichts“ nicht gibt?
Sehr geehrter Harald Lesch,
ich habe eine einjährige Enkelin und eines Tages wird sie mich fragen: Oma, woher kommen wir. Und ich antworte mit der kindgerecht aufgearbeiteten Urknalltheorie. Aber was antworte ich, wenn sie fragt: Kommt der Urknall aus dem Nichts? Und Sie antworten: Diese Frage macht keinen Sinn, das wäre, als würden wir nach einem südlicheren Südpol fragen, wir können die Urknalltheorie durch Messungen beweisen. Aber möglicherweise würde meine Enkelin weiter bohren, wo ist denn der qualitative Übergang vom Nichts zum Etwas (egal ob Materie oder Energie) und dann möchte ich folgerichtig die Nichtexistenz dieses Übergangs philosophisch erklären und mathematisch beweisen können und nicht einfach sagen müssen: Das ist einfach so. Beim wiederholten Lesen des Buches „Die Geschichte der Null“ von Robert Kaplan kam mir die Vermutung, dass dies mit der Null möglich sein könnte. Meine konkreten Fragen an Sie: Können wir mit der nichtmöglichen Division durch Null beispielhaft mathematisch beweisen, dass es das „Nichts“ in Raum und Zeit nicht gibt und kann es meiner Enkelin wie folgt erklären:
Wir können den Menschen den Urknall ab dem Entstehungszeitpunkt der kosmischen Hintergrundstrahlung erklären, weil wir ab da messen können, und wir können beweisen, dass er nicht aus dem Nichts entstanden ist.
Letzteres ist anschaulich durch die Zahl Null möglich, die in der Geschichte der Menschheit eine lange Geschichte hat. Ursprünglich entstand sie als Platzhalter in den Wertestellen der Zahlen, als die Menschen über das erste Rechnen begannen, die Welt mathematisch abstrakt zu betrachten, woraus sich die komplexeste Wissenschaft entwickelte, die unser Hilfsmittel zum Beweis wissenschaftlichen Erkennens unserer Welt ist.
Fälschlicherweise machen wir bis heute den Denkfehler, die Null unter anderem auch für das philosophische „Nichts“ zu benutzen. Aber die Null stand immer für „Etwas“: ursprünglich als Platzhalter, später Ergebnis einer Rechenoperation oder eines theoretisch angenommenen Grenzwerts usw.
Meine Enkelin wird sagen: Aber wenn ich von drei Äpfeln drei wegnehme, dann bleibt nichts übrig.
Diese Formulierung ist umgangssprachlich gebräuchlich, aber physikalisch nicht korrekt, denn das Ergebnis ist nicht das „Nichts“, sondern die Tatsache, dass die Raum/Zeit sich veränderte. Die Mathematik setzt für den Abschluss dieser Operation als Zeichen die Null. Bei der Subtraktion spielt dieser Denkfehler der Gleichsetzung von Null mit „Nichts“ keine verwirrende Rolle, da die inverse Operation der Addition problemlos gelingt.
Bei der Division durch Null zeigen sich dann zwei Probleme, zum einen, dass meine Enkelin einleuchtend meint, wenn sie ihre Pizza nicht teile, dann bleibt die ganze Pizza übrig. Also Divisor durch Null ist gleich Quotient gleich Divisor. Hierbei erliegt meine Enkelin dem Denkfehler, dass sie eine vermeintliche Operation berechnet, die aber physikalisch gar nicht stattfindet, da die Pizza ja gar nicht erst geteilt wird. Zum anderen könnte sie ihr Ergebnis aber auch verteidigen, indem sie meint, sie habe ihre Pizza durch „Nichts“ geteilt und hier wird es spannend, weil dann die mathematische Operation scheinbar stattfindet, indem sie für das „Nichts“ die Null setzt. Die Verblüffung tritt erst bei der invasiven Multiplikation auf, die kein adäquates Ergebnis liefert.
Im Internet habe ich diesbezüglich recherchiert und nur die Antworten gefunden, dass man sich geeinigt habe, die Division durch Null nicht zu gestatten, weil sie zum einen nicht sinnhaft ist, beziehungsweise, weil Multiplikation und Division inverse Operationen sind. Beide Begründungen decken jedoch nicht den eigentlichen Denkfehler auf.
Die Idee, die Division durch Null über die Annäherung eines immer kleiner werdenden Dividenden vorzunehmen, ist verlockend, muss aber daran scheitern, dass, physikalisch betrachtet, der Dividend niemals vom „Etwas“ ins „Nichts“ wechselt, was die Mathematik mit ihrem Ergebnis „Unendlich“ als Grenzwert beweist.
Können wir also sagen, dass das „Nichts“ immer nur eine sprachliche Vereinfachung bzw. philosophisches Hilfsmittel in Form eines theoretischen Grenzwertes für die unvollständige Erforschung der Welt durch die Menschheit war und ist? Kann die Nichtmöglichkeit der Division durch Null als mathematischer Beweis für die Nichtexistenz des „Nichts“ (im philosophischen Sinne von weder Materie noch Energie) angesehen werden?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank.
Mit musikalischen Grüßen
Carmen Hoyer
28.02.2022