Ein komisches Osterei

Ostern steht vor der Tür. Doch die empfangenen Emails lassen keine Festtagsstimmung aufkommen. Seit dem 26. März liegt der Antrag auf Soforthilfe bei der ILB. Trotz aller vollständig angefügten geforderten Nachweise vertröstet die Bearbeiterin. Das Kulturdezernat des Landkreises Oberhavel erklärt zum selben Zeitpunkt schriftlich, dass man nicht wisse, wie es mit der Kulturförderung weiter gehe, aber zwischenzeitlich könne ein Antrag zum Antrag gestellt werden, um die bisher nicht gewährten Fördermittel des ersten Halbjahres im zweiten Halbjahr zu beantragen.

In den Nachrichten erfährt man, dass das Bayreuther Festival von seiner Geschäftsführung zum jetzigen Zeitpunkt abgesagt wurde. Auf Anfrage, warum, es solle doch erst im August stattfinden, erklärt der Veranstalter, dass die notwendigen monatelangen Vorbereitungen auf Grund der aktuellen Situation nicht geleistet werden können.
Ja, genauso ist es: Monatelange Vorbereitungen sind notwendig, um Menschen mit Kunst wahrhaft zu trösten, zu erfreuen, zu bilden, zu heilen. Es ist alles andere als solidarisch, dass die Berufsgruppe der Kreativen ständig nur als Wirtschaftsfaktor gesehen oder als Bittsteller behandelt wird. Bis zum heutigen Tag warte ich vergeblich auf die Soforthilfe des Landes Brandenburgs. Die beim Landkreis Oberhavel bereits im Januar des Jahres beantragten Fördermittel für die Phoenix-Orchester-Akademie werden offensichtlich erst gar nicht bearbeitet. So ähnlich ergeht es derzeit vielen anderen selbständigen Kulturschaffenden. Die kleinen Theater und Veranstalter stehen kurz vor dem Ruin. Sie alle haben investiert und tragen allein das wirtschaftliche Risiko, mit den Einnahmen der Vorstellungen überleben zu können. Sie und die auftretenden Künstler sowie die unentbehrlichen Helfer hinter den Kulissen waren die ersten, die das solidarische Opfer des „Zuhausewartens“ erbracht haben und stehen nun völlig mittellos da. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Meinung, dass die Maßnahmen wie Soforthilfe eine Überlebensalmosen der Gesellschaft an die armen Künstler darstellen, so ist es in Wahrheit eben auch eine fällige Entschädigungszahlung für geleistete Investitionen. Und ebenso verhält es sich mit der unterstellten Nicht-Systemrelevanz. Im staatlichen Fernsehen macht man sich derzeit Sorgen, wie denn die massiven psychologischen Defizite der Menschen aufzufangen seien, die sich durch die Krise in der Langzeitwirkung ergeben: Woher solle man denn die vielen Psychologen nehmen?
Wann endlich erinnert man sich hier in diesem Land, dass die Künstler und Kunstschaffenden die besten Psychologen sind? Sie verstehen es wie keine andere Berufsgruppe, die Herzen der Menschen zu öffnen, ihnen neuen Mut zu geben, sie mit ihrer Kreativität aus der jeder Isolation herauszuholen: Indem sie auch jetzt, selbst mittellos, per Postsendungen oder Internet ihre Kunst und Kreativität zeigen - die meisten von ihnen ohne GEMA-Entschädigung, ohne Kurzarbeitergeld, ohne Lohnfortzahlung, ohne bisherige Soforthilfe…
Aber mein liebevoller Stiefvati gibt mir etwas von seiner Rente ab und ich koche, färbe, musiziere und schreibe für ihn ein farbenfrohes Osterei.

Frohe Ostern

Carmen Hoyer, 08.04.2020