Das Gewissen der Welt

Ein 16-jähriges Mädchen steht am Rednerpult der Vereinten Nationen und spricht eindringlich, klug und warnend über den Gesundheitszustand unserer Umwelt. Bei jedem Wort ringt sie um Fassung und in ihrem Gesicht zeigen Tränen ihren Schmerz und die gefühlte Ohnmacht angesichts der Trägheit der Weltpolitik.

 

Sie gibt sich nicht zufrieden mit dem Erreichten, was da immerhin bedeutet, dass weltweit die Bevölkerung auf die Straße gehen und ihrem Unmut zum menschengemachten Klimawandel Luft machen, was überhaupt erst dazu führte, dass erstmals eine Klimakonferenz der Vereinten Nationen stattfindet. Sie gibt sich nicht zufrieden, dass einige Staaten erste Beschlüsse zum Klimaschutz gefasst haben. Sie gibt sich nicht zufrieden, dass weltweit ein immer mehr Menschen anfangen, über ihren ökologischen Fußabdruck nachzudenken.

 

Der Stein ist durch die Jugend ins Rollen gebracht, mehr aber eben auch nicht, wenn der US-amerikanischer Staatspräsident demonstrativ der UN-Klimakonferenz den Rücken kehrt, und jeder weiß, dass es viele kleine „Trumps“ unter uns gibt, die sich ähnlich verhalten, oder wenn die deutsche Regierung ein Maßnahmenpaket zum Klimaschutz beschließt, dass sich aller Erwartungen nach, wenn überhaupt, nur in zwergenhafter Wirksamkeit erschöpfen wird. Oder wenn intelligente Vertreter der Linken Partei und der Freien Demokraten bei „Unter der den Linden“ sich bei allem Für und Wider letztendlich an Klugheit mangeln lassen indem sie sich gegenseitig bestätigen, dass man weiterhin auf nichts verzichten wolle, es komme eben nur auf die Wahl der Mittel zur Wahrung des Wohlstandes an. Oder wenn der österreichische Bundeskanzler im Fernsehinterview mit den Schultern auf die Frage, ob denn das beschlossene finanzielle Engagement seines Landes ausreiche, gelassen zuckt und er darauf verweist, dass man sehr wohl die vertrocknenden Monokulturen der Fichtenforstbestände in den einheimischen Bergen zur Kenntnis nähme und man sich sicher mehr engagieren müssen wird. Oder wenn Europa politisch zulässt, dass sich Staaten weiterhin eine ressourcenverschlingende Überproduktion in Land- und Güterwirtschaft leisten, um obendrein aus der indirekten Entsorgung der Flut von überflüssigen Waren innerhalb bzw. außerhalb der Landes- bzw. Kontinentsgrenzen nochmals Gewinn zu ziehen. Oder wenn wir die digitale „Revolution“ mitsamt ihren neuen Technologien verzückt verklären und dabei übersehen, dass das Internet der weltweit drittgrößte Energiefresser ist.

 

Innerlich zwar erstmals in Betroffenheit aufgrund der langsam in unser Bewusstsein dringenden ersten Auswirkungen des Klimawandels auf unseren Alltag sind wir äußerlich noch immer auf der Jagd nach Wirtschaftswachstum. Denn wie kann es sein, dass wir weiterhin auf größtmögliche analoge und digitale Mobilität setzen und uns lediglich über die Art der Energiebeschaffung streiten bei gleichzeitiger Explosion des weltweiten Bevölkerungswachstums? Wie kann es sein, dass wir nach wie vor die globale Herstellung jedes noch so kleinen Produktes weltweit steuerlich so bevorteilen, dass aus monströsen Transportwegen und Logistikaufwänden keine Verkaufsnachteile erwachsen? Wie kann es sein, dass wir nach wie vor eine qualitative Bewertung in Form der Preishöhe nach Quantität der Waren vornehmen nach dem Motto, was es viel gibt, ist billig und was es selten gibt, teuer? Wie kann es sein, dass wir immer noch meinen, unsere „alten“ Wirtschaftsbewertungsmaßstäbe brächten uns neue politische Lösungen sowie soziale Gerechtigkeit und Frieden? Etwa, indem jede Generation der anderen vorenthält, welche Art der Lebensweise, ob herkömmlich mit dem Favorit Auto oder modern mit dem Favorit Internet die größere Energieverschwendung ist?
Die Natur regelt das pragmatisch auf ihre Art und Weise: Alles, was es einst in Hülle und Fülle gab, versiegt: Insekten, Wälder, Tierarten, Bodenschätze, fruchtbares Land, Trinkwasser… und schließlich die Spezies Mensch…Zitat Greta Thunberg: „…Und Ihr redet nur übers Geld“.

Carmen Hoyer, 25.09.2019