Gedanken zur Klimademo 2019

Was für ein prächtiges Bild von der Dianastraße hier im Mühlenbecker Land mit den großen grünen Kastanienbäumen: Eine fast komplette Baumallee weißer Rosskastanien. Ein Juwel im Land Brandenburg. Kaum zu ertragen hingegen die Bilder, die uns mittlerweile täglich vom brennenden Amazonasurwald oder dem Holzeinschlag in der sibirischen Taiga erreichen. Wir fragen uns: Wie können die Menschen nur so etwas zulassen? Auf Nachfrage des arte-teams erklärt ein brasilianischer Landwirt, dass durch die neue Politik seiner Regierung nun endlich der Fortschritt im Land Einzug gehalten hätte: Zuerst mit den Holzfällern, dann mit den Rinderzüchtern und nun schließlich mit dem Sojaanbau. Und während er stolz von seinen riesigen Gewinnen berichtet, zeigt er auf die großen Behälterlieferungen von BASF mit der Erklärung, dass er beim selbigen deutschen Glyphosathersteller bereits nachgefragt hätte, ob es nicht noch ein effizienteres Pflanzenschutzmittel gäbe, mit dem sich noch mehr Profit machen ließe.

 

Der anderen grünen Erd-Lunge im Norden Asien ergeht es ähnlich: Tapfer ernten sich die maschinellen Holzfällerkolosse durch den Wald, um u.a. Europa und China mit dem sogenannten klimaneutralen Rohstoff zu versorgen. Währenddessen schreiben sich einige hervorragende einheimische Wissenschaftler und Förster die Finger wund, um uns nahezubringen, dass es hier bei uns in Deutschland schon ewig kein nennenswertes Gebiet mehr gäbe mit einer Vegetationsgemeinschaft, die es verdient, aufgrund ihrer pflanzlichen und tierischen Vielfalt als Wald definiert werden zu dürfen. Sie erklären uns, dass wir schon lange nur noch Baumplantagen und Forste hätten, die dem einzigen Zwecke dienten, möglichste schnelle Festmeter zu liefern beispielsweise für unsere heimeligen Kaminöfen, für unseren erhöhten Papierbedarf beim Einkaufen durch den Wegfall der Plastiktüten oder billiges Bauholz. Ja, billig soll es sein. Hier ist der größte Konsens unserer Gesellschaft zu finden. Billig oder preiswert für den Verbraucher. Und bei wem genügend übrig bleibt, der legt im Gegenzug sein erspartes Geld bei Allianzen, Banken und Co. an und achten penibel darauf, dass die Rendite stimmt. Nebenbei erfreut man sich der Zertifikate, die glauben machen, der Holzverbrauch wäre klimaneutral. So klimaneutral wie auch das Fällen von Straßenbäumen, die angeblich neuerdings eine Art Sicherheitsproblem für unsere Zivilisation darstellen. Und vor lauter Sicherheitsbeflissenheit verlangen wir per Gesetz von den Förstern, dafür zu bürgen, dass kein Ast jemals Schaden anrichten kann. Deshalb lassen diese teilweise prophylaktisch die Forstrandstreifen an Landstraßen roden, obwohl wir inzwischen gelernt haben müssten, dass wir eigentlich auf keinen einzigen Baum mehr verzichten können. Ja, ich musste beispielsweise sogar selbst mit anhören, dass stellvertretende Fürsprecher des Kinderwohls in einer offiziellen Anhörung verlangten, die Gemeinde Mühlenbecker Land solle im Wald alle Gefahren-Bäume beschneiden lassen, obwohl erstens bekannt ist, dass ein Beschneiden der Baumkrone den Baum instabiler macht und man zweitens einen Wald oder Forst auf eigene Gefahr betritt und drittens Eltern unter anderem dazu da sind, Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen und viertens, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Als Mutter zweier erwachsener Söhne habe ich selbst erfahren, wie schmerzhaft das manchmal sein kann. Aber so ist es eben.

Und unser Sicherheitsbedürfnis hat noch ganz andere groteske Blüten getrieben: Ein Großteil unserer Bevölkerung rückt seit einigen Jahren mit bereiften Panzern zur alltäglichen Straßenschlacht aus, obwohl allseits bekannt ist, welche Klimabelastung diese Fahrzeuge darstellen. Wie war es nur möglich, die Bevölkerung zu diesem Kauf dieser Autos zu animieren? Nun: Nur mit einer suggestiven Werbekampagne für physische Unverletzbarkeit und angeblich absoluter Unfallsicherheit war es der Autolobby möglich, ihre monströsen Fahrgeschosse als Mainstream zu verkaufen. Und so bauen wir für die Krieger der Nation die nächste Autobahn aus und asphaltieren weitere Anliegerstraßen und Parkplätze, egal, ob mit oder ohne Anwohnerbeiträge, egal, ob ein Straßenausbau wirklich notwendig ist oder nicht, egal, ob Baumalleen hierfür geschlachtet werden müssen oder nicht. Und das alles, obwohl wir wissen, dass Bäume eine nicht zu ersetzende Lebensqualität bieten: Die seit 2012 durch Straßenbau baumverstümmelte asphaltierte Dianastraße wird für immer ein Mahnmal für einzigartige Inkompetenz beim regionalen Klimaschutz sein. Die Nachpflanzungen wurden nur halbherzig vorgenommen. Zehn Bäumchen habe ich selbst täglich erfolgreich mit Wassereimern im Handwagen versorgt. Die Hilfe etlicher anderer Anwohner sah eher so aus, dass sie beim Eingehen der Bäumchen zusahen, indem sie sie vor ihrer Haustür verdursten ließen mit der Anmerkung, was gehe sie die Straßenbäume an, sie belästigen sie nur mit ihrem Laubfall im Herbst. Und dieselben Anwohner sind jetzt am Überlegen, ob sie sich demnächst eine Klimaanlage einbauen lassen, da es unerträglich heiß geworden sei in dieser Straße: Eine Klimaanlage, die zusätzlich nach außen heizt. Aber vielleicht war der eine oder andere ja auch bei der heutigen Klimademo dabei, um sich weiterzubilden. Möglich ist alles. Warum in die Ferne schweifen, das Glück liegt doch so nah…im Mühlenbecker Land und den Nachbarortschaften, die sich gemeinsam den Herausforderungen des Bevölkerungszuzuges stellen müssen und können, um die Schönheit und Lebensqualität dieser Region zu retten.

 

Carmen Hoyer, 20.09.2019